Die eine Ursache einer Depression gibt es nicht. Vielmehr mischen bei der Erkrankung unterschiedliche genetische, neurophysiologische, psychosoziale und umweltbedingte Faktoren mit. Sie alle stehen in komplizierten Wechselwirkungen miteinander, die Wissenschaftler bis heute nicht vollständig verstehen. Außerdem entdecken sie immer wieder neue Einflussgrößen, die sich auf das Risiko, zu erkranken, auswirken könnten.
Gehirn aus dem Gleichgewicht
Eine der Ursachen der psychischen Störung offenbart sich beim Blick ins Gehirn depressiver Menschen: Bei ihnen ist der Hirnstoffwechsel aus dem Lot geraten und das Gleichgewicht von Neurotransmittern wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin scheint gestört. Oftmals weisen Patienten im Vergleich zu Gesunden niedrigere Konzentrationen dieser als Glückshormone bekannten Botenstoffe auf.
Bildgebende Verfahren zeigen darüber hinaus eine veränderte Aktivität des limbischen Systems. Während einer depressiven Episode reagieren diese Hirnregionen, die für das Verarbeiten von Emotionen verantwortlich sind, anders als im gesunden Gehirn.
Erbliche Vorbelastung
Unstrittig ist nach dem heutigen Kenntnisstand, dass für die Entstehung von Depressionen eine gewisse genetische Veranlagung mit von Bedeutung ist. Das legen Familien- und Zwillingsstudien nahe. Sie zeigen etwa: Hat bei zweieiigen Zwillingen ein Geschwisterkind eine unipolare Depression, ist in 18 bis 20 Prozent der Fälle das andere ebenfalls betroffen – bei eineiigen Zwillingen mit identischem Erbgut sind es dagegen 35 bis 42 Prozent.
Noch deutlicher zeigt sich dieser Zusammenhang bei der bipolaren affektiven Störung: Hier steigt der Wert von fünf bis acht Prozent bei zweieiigen auf 50 bis 60 Prozent bei eineiigen Zwillingen. Manche Menschen scheinen demnach eine erblich bedingte Empfindlichkeit für depressive Erkrankungen zu haben.
Welche Gene das Risiko für eine Depression erhöhen, ist jedoch unklar. Über eines sind sich Wissenschaftler allerdings einig: Ein isoliertes „Depressions-Gen“ gibt es nicht. Wahrscheinlich ist, dass Veränderungen an mehreren, möglicherweise untereinander interagierenden Genen für eine verstärkte Anfälligkeit verantwortlich sind.
Wenn Stress krank macht
Doch die Gene sind nicht alles – auch äußere Einflüsse spielen eine Rolle. Vor allem akute Traumata oder chronischer Stress, etwa infolge von Belastungen am Arbeitsplatz oder Problemen in der Familie, können Depressionen begünstigen und als Auslöser einer Episode wirken. Forscher wissen inzwischen, dass eine erhöhte Stresshormon-Konzentration Veränderungen im Gehirn und im Verhalten verursachen kann, wie sie für depressive Menschen typisch sind.
„Ob jemand aber tatsächlich krank wird, hängt von seiner Fähigkeit ab, mit psychischen Belastungen umzugehen“, betont der Mediziner und Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Entscheidend für die Reaktion von Körper und Psyche könnten dabei sowohl genetische als auch entwicklungsbedingte Faktoren sein: Wer etwa in der Kindheit nie gelernt hat, wie man stressige Situationen bewältigt, hat auch als Erwachsener Probleme damit.
Auch „ein ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil und eine daraus resultierende ‚erlernte Hilflosigkeit‘ können Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression sein“, schreibt Ulrich Voderholzer von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). Ein weiterer Faktor: Unzureichend verarbeitete Traumata in der Kindheit können bei erneuten Krisensituationen den Ausbruch einer Depression fördern.
Ernährung, Lärm und Wetter
Neben diesen Hauptursachen spielen jedoch offenbar noch viele weitere Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen. So haben Forscher unter anderem Hinweise darauf gefunden, dass die Ernährung, Verkehrslärm und sogar das Wetter das Erkrankungsrisiko beeinflussen können. Dunkelheit und Regen im Herbst schlagen demnach nicht nur vielen Menschen auf die Stimmung – bei einigen erhöht sich dadurch auch saisonal die Anfälligkeit für depressive Erkrankungen.
Daniela Albat
Stand: 30.09.2016