Ulrike Niemeier betont, dass die Schwefeldioxid-Einträge erhebliche Nebenwirkungen hätten. Der Himmel würde künftig nicht mehr strahlend blau, sondern eher milchig sein. Weltweit würden die Niederschläge im Durchschnitt abnehmen, der Monsun und große Luftströmungen in der Atmosphäre würden sich ändern, weil man am solaren Energieeintrag schraubte.
Veränderte Luftströmungen
In den Tropen würde die Sonneneinstrahlung stärker sinken als an den Polen, damit würde sich auch das Temperaturgefälle zwischen beiden Regionen abschwächen, sodass sich die Luftströmungen abschwächen könnten. Eine der großen stratosphärischen Luftströmungen in den Tropen, die betroffen wären, heißen Quasi-Biannual-Oscillations, kurz QBO. Alle zwei Jahre wechseln sie ihre Richtung – von West nach Ost und zurück.
Was mit ihnen passieren würde, hat Niemeier untersucht, indem sie ihr Aerosol-Modell mit dem großen Klimamodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie namens MPI-ESM koppelte. „Die Berechnungen zeigen ganz deutlich, dass eine Schwefeldioxid-Injektion in großer Dimension zum Zusammenbrechen der QBO führen würde“, sagt Niemeier. „Welche Konsequenzen das für das Weltklima hat, können wir noch gar nicht absehen.“
Hinzu kommt, dass diese Eingriffe in den irdischen Strahlungshaushalt ein schlimmes Ende nehmen könnten: Wird das Versprühen der Aerosole abgebrochen, könnte die Temperaturen sprunghaft wieder ansteigen, wie eine Studie im Jahr 2018 ergeben hat. Das könnte den zuvor erzielten Effekt zunichte machen und die Anpassungsfähigkeiten der Natur überfordern.
Verklumpende Aerosole
Andreas Oschlies vom Forschungszentrum GEOMAR in Kiel hält solche Arbeiten von Ulrike Niemeier für wegweisend. „Sie ist eine der allerersten, die im Detail die chemisch-physikalischen Vorgänge in der Stratosphäre analysiert haben“, sagt der Experte für Climate-Engineering. „Sie hat eine quantitative, belastbare Datengrundlage geliefert, um das künftige Klima, das wir durch diese Art von Climate-Engineering erzeugen würden, richtig zu berechnen.“
Entscheidend sei etwa die Erkenntnis gewesen, dass Sulfatpartikel mit der Zeit verklumpen. Es hilft also nichts, immer mehr Sulfat in die Stratosphäre zu pumpen, weil die Aerosole dann nur umso stärker verklumpen und absinken. Irgendwann tritt gewissermaßen eine Sättigung ein, ganz gleich, wie viel Sulfat die Flugzeuge versprühen. „Diese Erkenntnisse von Ulrike Niemeier waren essentiell, um einschätzen zu können, inwieweit diese Art des Strahlungsmanagements überhaupt funktionieren könnte“, sagt Oschlies.
Das Wann und Wie sind entscheidend
Ulrike Niemeier hat auch die Wirkung verschiedener Vorgehensweisen beim Freisetzen von Schwefeldioxid analysiert, ob es beispielsweise effektiver wäre, das Gas täglich in der Stratosphäre zu verströmen oder eher in bestimmten Abständen. Ein Ergebnis: Die Partikel verklumpen weit weniger, wenn man einen Monat lang große Mengen in die Stratosphäre bringt, als wenn man täglich nachliefert.
Entscheidend für die Kühlwirkung sei auch, an welchen Orten auf der Erde man das Schwefeldioxid freisetzt. Die Modelle deuten darauf hin, dass Injektionen an mehreren Punkten rund um die Tropen die größte Wirkung hätten.