Gedemütigt und mittellos muss Tesla Anfang des 20. Jahrhunderts mit ansehen, wie seine Konkurrenten – teilweise auf Basis seiner Erfindungen – reich und berühmt werden, während er selbst immer mehr in Vergessenheit gerät. Trotz seiner vielen Errungenschaften und Verdienste hat er es nie geschafft, sich zu etablieren und dauerhaft Profit aus seinem Werk zu schlagen. Er stirbt im Januar 1943 mit 86 Jahren allein und weitgehend vergessen in New York.
Seiner Zeit zu weit voraus
Aber warum? Diese Frage beschäftigt Historiker bis heute. Ein Aspekt ist sicher die Fortschrittlichkeit seiner Visionen: „Er war seiner Zeit so weit voraus, ein solcher Visionär, dass die Wissenschaftler seiner Zeit schlicht nicht verstanden, was er da tat“, erklärt die Tesla-Biografin Margaret Cheney in einem Interview mit PBS. Weder die Fernsteuerung, noch seine Hypothesen über die Rolle der Ionosphäre für die Reflexion und Übertragung von Radiowellen wurden damals verstanden oder beachtet. Heute bildet vor allem Letzteres die Basis für unser Telekommunikationssystem.
Ein weiteres Beispiel ist eine Idee Teslas, die er zu Beginn des Ersten Weltkriegs beschrieb – und mit der er ebenfalls seiner Zeit voraus war: Er erdachte ein System, bei dem man hochfrequente Radiowellen zum Aufspüren von Schiffen auf See nutzen kann. Die Wellen würden von den Schiffsrümpfen reflektiert, aufgefangen und auf fluoreszierenden Bildschirmen als Signal erscheinen. Im Prinzip ist dies die erste Beschreibung des Radars – Jahrzehnte bevor es erstmals umgesetzt werden sollte.
Visualisiert, aber nicht dokumentiert
Ein weiterer Grund dafür, dass Tesla schnell in Vergessenheit geriet, war vermutlich seine Arbeitsweise: „Tesla besaß eine enorme Fähigkeit, Dinge zu visualisieren“, sagt Cheney. Wie er bei seinem Geistesblitz für den Drehstrom-Generator schilderte, sah er neue Geräte oder Technologien bereits erstaunlich klar vor seinem inneren Auge. Dadurch aber machte er wenig detaillierte, nachvollziehbare Aufzeichnungen und Berechnungen.
„Im Gegensatz zu Einstein gehörte er zu den Genies, die Dinge zwar visualisieren, aber Probleme damit haben, sie in Zahlen zu fassen und zu Papier zu bringen“, sagt Dennis Papadopoulos von der University of Maryland. Seiner Ansicht nach erschwerte dies nicht nur Zeitgenossen, Teslas Ideen nachzuvollziehen, sie verhinderten auch, dass Tesla selbst Fehler in seinen Gedankengängen erkannte.
Folgenschwere Fehleinschätzung
Ein Beispiel dafür ist Teslas lebenslanger Traum von der drahtlosen Energieübertragung. „Es ist nicht nur ein Traum. Es ist eine einfache Errungenschaft elektrischer Ingenieurskunst – nur eben sehr teuer …blinde, kleinmütige, zweifelnde Welt“, schreibt er nach dem erzwungenen Ende seines Wardenclyffe Towers. Tesla ist sich sicher, dass nur die Umstände die Umsetzung seines World Wireless Systems verhindert haben.
„Aber hätte er das auf dem Papier durchgerechnet, dann wäre ihm klargeworden, dass man auf diese Weise zwar Energie übertragen kann, aber nicht sehr viel“, erklärt Papadopoulos. „Es reicht für Radio, Fernsehen oder Telefon, aber wenn man so das Licht anschalten will, braucht man mehr Leistung.“ Und diese lässt sich über die Luft nur mit sehr begrenzter Reichweite übertragen.
„In jeder Hinsicht ungewöhnlich“
Nicht zuletzt trugen jedoch auch Teslas Eigenheiten und sein wenig ausgeprägter Geschäftssinn dazu bei, dass er kein erfolgreicher Unternehmer wurde wie viele andere seiner Erfinderkollegen. „Er kam nicht gut mit anderen zurecht und arbeitete am liebsten allein oder nur mit einem Assistenten, dem er die Aufgaben vorgab“, sagt Bernard Finn vom National Museum of American History.
Tesla lehnte es zudem ab, längere Zeit für Universitäten oder Unternehmen zu arbeiten und zog es vor, stattdessen selbst Firmen zu gründen und eigene Labore einzurichten – was ihn mehrfach in den Ruin trieb. Trotz seines enormen Talents für effektvolle Präsentationen lag Tesla die finanzielle Seite seiner Arbeit nicht sonderlich. Er pflegte zwar einen teuren Lebensstil, schlug aber andererseits lukrative Verträge aus und verzichtete beispielsweise auf seinen Anteil am Niagarafälle-Projekt – weil sein Kompagnon George Westinghouse finanzielle Schwierigkeiten hatte.
„Tesla war speziell, einzigartig und in jeder Hinsicht ungewöhnlich“, so das Fazit von Finn.
Nadja Podbregar
Stand: 27.10.2017