Über Geschmack lässt sich nicht streiten, heißt es. Was ich absolut deliziös finde, kann für jemand anderen furchtbar schmecken. Aber warum? Besitzen wir nicht alle die fünf Grundsensoren und Riechzellen? Sie müssten doch gleiche oder zumindest sehr ähnliche Signale ans Gehirn senden?
Dass beispielsweise selbst ein Stück Schokoladenkuchen längst nicht für alle gleich schmeckt, hat seinen Grund in der speziellen Entstehung dessen, was wir letztlich als Aroma oder Geschmack wahrnehmen. Denn dieser entsteht eben nicht in den Sensoren allein, sondern erst in der Großhirnrinde unseres Gehirns. Erst dort werden die Signale von Geruch, Geschmack, Mundgefühl und die Schmerzreize des Trigeminus miteinander kombiniert und mit Vorerfahrungen, Erinnerungen und Assoziationen verknüpft. Auch unsere Prägung im Mutterleib und in der frühen Kindheit kommt hier mit ins Spiel. Diese Verknüpfungen sind es letztlich auch, die manche Geschmackserlebnisse zu einem so umwerfenden und einprägsamen Genuss machen. Ein einziges verdorbenes Fischgericht kann einem so umgekehrt über Jahre hinaus alle Fische oder Meerestiere vergällen.
Warum verliebte Köche eher salzarm kochen müssten
Und auch unsere Gefühle und die Hormone spielen für unser Geschmacksempfinden eine Rolle: Verliebte beispielsweise reagieren besonders sensibel auf saure und salzige Aromen, wie Wissenschaftler des Forschungsinstituts ttz Bremerhaven in Experimenten feststellten. Dass der verliebte Koch die Suppe versalzt, wie es sprichwörtlich heißt, ist daher eigentlich eher unwahrscheinlich, er müsste sie eher salzarmer machen als normal. Bitteres und Süßes schmeckten verliebte Probanden dagegen eher weniger intensiv.
Ursache dafür ist das Hormon Serotonin: „Je weniger Serotonin die Tester im Blut haben, desto schwächer fällt der geschmackliche Impuls bei der Wahrnehmung dieser beiden Geschmäcker aus“, erklärt Mark Lohmann, Leiter des ttz-Sensoriklabors. Warum aber dämpft das Hormon nur diese beiden Geschmackssensoren und nicht auch salzig und sauer? Auch dafür haben die Forscher eine Erklärung: „Aus zahlreichen Studien geht hervor, dass bei der Übermittlung von sauren und salzigen Geschmackseindrücken eine völlig andere biochemische Signalkaskade abläuft“, sagen sie. Diese Kaskade sei möglicherweise weniger abhängig von der Serotoninkonzentration und daher weniger stark vom Verliebtsein beeinträchtigt.
Das Auge schmeckt mit
Wenn es um den Geschmack geht, spielen aber nicht nur Hormone und unsere Zunge eine Rolle, auch unsere Augen mischen dabei mit. So haben Versuche mit künstlich rot eingefärbtem Weißwein gezeigt, dass selbst Weinkenner in dem gefärbten Getränk plötzlich typische Rotweinaromen zu erkennen glaubten. Dass nicht nur die Eigenfarbe des Getränks dabei irreführend wirken kann, sondern auch die Lichtverhältnisse der Umgebung, stellten Ende 2009 Forscher der Universität Mainz fest. „Bisher war schon bekannt, dass die Farbe eines Getränks den Geschmack beeinflusst“, erklärt der Mainzer Forscher Daniel Oberfeld-Twistel. „Wir wollten nun wissen, ob es auch eine Rolle spielt, welche Beleuchtung zum Beispiel in einem Restaurant herrscht.“
In einem ihrer Experimente ließen die Wissenschaftler Versuchspersonen einen Riesling verkosten, tauchten dabei aber den Testraum in unterschiedlich gefärbtes rotes, blaues, grünes oder weißes Licht. Anschließend wurden die Probanden darüber befragt, wie ihnen ein bestimmter Wein schmeckte und was sie dafür ausgeben würden. Das Ergebnis: Der Weißwein war ihnen unter rotem Licht gut einen Euro mehr pro Flasche wert als bei grünem oder neutralen weißem Licht. In einem zweiten Experiment sollten die Versuchspersonen jeweils zwei Gläser mit Wein vergleichen. Was die Probanden dabei nicht wussten: In beiden war derselbe Wein. Einziger Unterschied: Das erste Glas wurde unter roter Beleuchtung getrunken, das zweite Glas unter blauer. Es zeigte sich, dass der Test-Wein den Probanden unter rotem Licht rund eineinhalb Mal süßer schmeckte als unter blauem Licht.
Nadja Podbregar
Stand: 19.10.2012