Unsere Lebenszeit ist endlich – und sie umfasst je nach Tierart offenbar eine ganz bestimmte Zahl von biologischen Zyklen. Doch wie wird diese Zahl festgelegt? Darauf geben verschiedene Alternstheorien unterschiedliche Antworten.
Verschleiß als Gradmesser?
Eine verbreitete Ansicht ist, dass unsere Lebensspanne durch den Verschleiß des Organismus begrenzt wird. Unstrittig ist, dass Organfunktionen im Verlauf des Lebens einen zum Teil dramatischen Leistungsverlust erleiden, der lebensverkürzend wirkt. So erreichen die Lunge und die Nieren von 70 bis 75-Jährigen nur noch 50 Prozent der Leistung eines Jugendlichen von 18 bis 20 Jahren.
In der renommierten Fachzeitschrift „Science“ gingen Vertreter der Verschleißtheorie sogar soweit, die Lebensspanne von Menschen mit der Haltbarkeit verschiedener Automarken zu vergleichen. Sie wiesen darauf hin, dass die Japaner – wie ihre Autos – weltweit am längsten leben. Es ist schon erstaunlich, wie undifferenziert Autoren solche Analogien postulieren.
Machen freie Radikale alt?
Auch die Theorie der freien Radikale gehört zu den Verschleißtheorien. Freie Radikale sind kurzlebige, sehr reaktionsfreudige Verbindungen, die den Körper durch Oxidationen schädigen können. Die meisten freien Radikale entstehen in Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, bei normalen Stoffwechselvorgängen. Aber sie können auch durch äußere Einflüsse wie UV-Strahlung oder gefährliche Umweltgifte entstehen.
Von besonderer Bedeutung für Alternsprozesse sind Radikale von Sauerstoff-Verbindungen (ROS). Dazu gehören Stoffe wie Ozon oder Wasserstoffperoxid. Ihren schädlichen Wirkungen versucht man mit Antioxidantien entgegenzuwirken. Diese finden sich vor allem in Früchten, Gemüse, Reis, Ölen, Tee, Kaffee und Kakao sowie in der menschlichen Muttermilch. Wie wirksam der Verzehr von Antioxidantien ist, bleibt fraglich, zumal Radikale auch nützliche Funktionen im Körper erfüllen, etwa bei der Bekämpfung von Viren und Bakterien.
Ein Gen für die Unsterblichkeit?
Mittlerweile führt man die Begrenzung der Lebensdauer weniger auf Verschleiß zurück als vielmehr auf ein genetisches Programm. Es sind inzwischen über 200 Gene entdeckt worden, die ins Alternsgeschehen involviert sind. An der Universität Frankfurt erforscht insbesondere Heinz Osiewacz am Fachbereich Biowissenschaften die molekularen Grundlagen dieser Erbfaktoren.
Beim Pilz Podospora anserina fand Osiewacz diverse Genmutationen sowohl im Kern als auch in den Mitochondrien, die vor allem in die Atmungskette eingreifen. Einige bewirken, dass die natürliche Lebensdauer des Wildstamms von rund 25 Tagen zum Teil vervielfacht wird, ja, dass Pilze sogar unsterblich werden, zum Beispiel die Mutanten ex1, mex1 und zahlreiche andere.
Gene, die das Altern und damit die Lebenserwartung zum Teil dramatisch verändern, hat man inzwischen bei vielen Organismen gefunden – auch beim Menschen. Deutlich verkürzt ist die Lebenserwartung beispielsweise beim Hutchinson-Gilford-Syndrom, auch Progeria infantilis genannt. Sie liegt bei durchschnittlich nur 14 Jahren. Bereits in der Kindheit zeigen die Betroffenen deutliche Spuren des Alterns. Bei der Form Progeria adultorum (Werner-Syndrom) tritt beschleunigtes Altern bei Erwachsenen etwa ab der Lebensmitte auf.
Prof. Dr. Roland Prinzinger, Universität Frankfurt / Forschung Frankfurt
Stand: 18.05.2018