Gene beeinflussen nicht nur das Verhalten ihres Trägers, sondern auch seine Beziehungen zu Artgenossen. Bei Menschen zum Beispiel ist oft „Blut dicker als Wasser“: Wir behandeln enge Verwandte gern bevorzugt. Eine solche Vetternwirtschaft, das so genannte nepotistische Verhalten, ist auch im Tierreich weit verbreitet.
Durch den „Vaterschaftstest“ mittels DNA-Analyse innerhalb des Bienenvolks konnten die Bochumer Bienenforscher auch erstmals untersuchen, welches Verhältnis nähere und entferntere Verwandte im Stock zueinander haben. In Laborexperimenten wurden bei Honigbienen immer wieder Hinweise darauf gefunden, dass Arbeiterinnen ihre engeren Verwandten erkennen können und bevorzugen, zum Beispiel indem sie sie vermehrt füttern.
Allerdings war man bisher darauf angewiesen, dass sich die unterschiedlichen Vaterschaftslinien bei der Verhaltensbeobachtung optisch unterscheiden lassen. Dafür musste man mit auffälligen Mutanten arbeiten und künstlich besamte Königinnen einsetzen, die mit Sperma von nur zwei oder drei Drohnen besamt wurden. Unter diesen unnatürlichen Bedingungen traten Effekte auf, die sich sonst im Bienenvolk nicht finden lassen.
Der Einsatz molekularer Marker ermöglicht nun eine Untersuchung der Verwandtenerkennung unter natürlicheren Bedingungen. Dabei zeigt sich, dass Bienen entgegen der Ergebnisse älterer Beobachtungen all ihre Genossinnen gleich behandeln: Konkurrenz oder Bevorzugung spielt unter den Arbeiterinnen nur ganz selten eine Rolle. Bei der Wegweisung zu neuen Futterquellen kooperieren die Tiere zum Beispiel ohne Einschränkung miteinander.
Der Einsatz molekularbiologischer Methoden ermöglicht den Wissenschaftlern die Beantwortung von Fragen, die seit langem diskutiert werden, und die alleine mit Methoden der klassischen Verhaltensbiologie nicht geklärt werden können. Der Weg vom genetischen Code bis zu der Erklärung eines so komplexen Verhaltens wie des Bienentanzes ist allerdings noch weit.
Stand: 17.09.2004