Bevölkerungsexplosion, Tourismus, Klimawandel, Landschaftszerstörung, Erosion und Wüstenbildung – Die Geographie setzt sich mit vielen wichtigen Phänomenen und Problemen auseinander, die den Menschen und die Erde im 21. Jahrhundert betreffen.
Geographen erforschen, analysieren und bewerten dabei die zahlreichen verschiedenartigen und häufig eng miteinander vernetzten Wechselbeziehungen zwischen Umwelt, Technik und Mensch. Ohne diese Tätigkeit könnten viele der ernsten Herausforderungen für das Leben auf dem „Blauen Planeten“ heute und in Zukunft nur unzureichend bewältigt werden.
Trotzdem sind Aufgaben und Bedeutung der Geographie bzw. der Geographen gerade in Deutschland vielen Menschen noch immer nicht ausreichend bewusst. Viele Hochschulabsolventen können „ein Lied davon singen“, was es heißt, immer wieder aufs Neue erklären zu müssen, was Geographen eigentlich tun.
Im „Kleinen Prinzen“ von Antoine de St. Exupéry scheint noch alles klar: „Ich bin Geograph«, sagte der alte Herr. „Was ist das, ein Geograph?“ „Das ist ein Gelehrter, der weiß, wo sich die Meere, die Ströme, die Städte, die Berge und die Wüsten befinden.“ „Das ist sehr interessant“, sagte der kleine Prinz. „Endlich ein richtiger Beruf!“ Wenn es nur so einfach wäre. Doch was der Geograph dem kleinen Prinzen hier so einleuchtend erklärt, ist eben längst nicht mehr das, womit sich die Geographen heute befassen. Ihre Arbeit hat eben nur noch sehr wenig damit zu tun, die Hauptstädte aller europäischen Länder aufsagen zu können. Dank des längst überholten, 60er-Jahre-Erdkundeunterrichts in der Schule ist dies jedoch meist das einzige, das ihre Gesprächspartner mit dem Begriff Geographie verbinden.
Moderne Geographie? Das beinhaltet heute so verschiedenartige Dinge wie Geoinformationssysteme (GIS), Bodenschutz, Umweltgutachten und Biotoppflege oder Raumplanung. Obwohl es kaum ein Gebiet gibt, auf dem Geographen heute nicht „mitmischen“, setzt sich dieses vielseitige und anspruchsvolle Berufsbild nur langsam in der breiten Öffentlichkeit durch.
Walter Schmidt schreibt dazu in seinem umstrittenen „Zeit“-Artikel „Geheimnisvoller Geograph“: „Ihre Ausbildung streift außer Mikroelektronik und indoiranischer Linguistik so ziemlich alles, was Universitäten zu bieten haben. Sie sind die letzten Spezialisten für’s Ganze.“ Geographie verbindet dabei naturwissenschaftliche mit sozialwissenschaftlichen Sichtweisen und erfasst so übergreifende Zusammenhänge in einer komplexen Welt.
Deshalb sitzen sie eigentlich fast überall: In Vermessungsämtern und Planungsbüros, in Umweltbehörden, Landwirtschaftskammern oder hydrologischen Landesämtern, in der Wirtschaftsförderung und Entwicklungshilfe und sogar in Multimediaagenturen oder im Journalismus. Sie sind immer dort zur Stelle, wo Daten und Informationen in einem räumlichen Bezug gesetzt werden, egal ob es sich bei diesen Daten um die Verteilung von Gewerbebetrieben in einer Großstadt, die Armut in der dritten Welt oder um die weltweite Messung von Luftschadstoffen handelt.
Doch gerade diese Vielseitigkeit macht das Berufsbild der Geographen so verschwommen. Trotz ihrer Omnipräsenz werden sie eben selten als Geographen, sondern eher als Mitarbeiter und Vertreter der jeweiligen Institution oder des Betriebes, in dem sie arbeiten, wahrgenommen.
Geographisches Wissen über Problemzusammenhänge, fachliche Kompetenz zur Lösung der oft globalen Herausforderungen auf der Erde, moderne Kommunikations- und Interaktionsformen und interaktiv-handelndes Lernen: der moderne Geographieunterricht in der Schule hat sich längst den Prinzipien und Herausforderungen unserer Zeit gestellt. Das Schulfach Geographie kann so entscheidend dabei mithelfen, das Berufsbild der Geographen und die Bedeutung der Geographie für das Überleben der Menschheit auf unserem Planeten in Zukunft zu verdeutlichen.
Stand: 19.01.2002