Sie sind 2,8 Meter lang, 1,50 Meter hoch und in seltenen Fällen bis zu 800 Kilogramm schwer: Braunbären der Unterart Ursus arctos middendorffi, auch Kodiakbär genannt, gehören zu den größten an Land lebenden Raubtieren der Gegenwart. Die mächtigen Bären sind ausschließlich auf den Inseln des Kodiak-Archipels vor der Küste Alaskas zuhause. Berühmt wurden die Allesfresser dadurch, dass sie Lachse beim Überspringen von Hindernissen aus der Luft „pflücken“, um sie anschließend genüsslich zu verspeisen.
Kein Bär „Light“
So imposant und respekteinflößend die Kodiakbären auch sein mögen, im Vergleich zu ihren eiszeitlichen Vettern, den Höhlenbären, wirken sie lediglich wie eine „Light“-Version. Denn die Höhlenbären hatten sowohl was die Kopf-Rumpflänge angeht als auch bei der Schulterhöhe deutlich mehr zu bieten als die heutigen Kodiaks. Bis zu 3,5 Meter lang und 1,70 Meter groß wurden die Tiere damals – und zum Teil über eine Tonne schwer. Zum Vergleich: Ein Kleinwagen der Marke Smart wiegt gerade mal gut 800 Kilogramm.
Name als Mogelpackung
Während die Körperdimensionen der Höhlenbären ziemlich präzise bekannt sind, geben andere Details aus ihrem Steckbrief noch immer Raum für Spekulationen: „Nach gegenwärtigem Wissensstand entwickelte sich der Höhlenbär (Ursus spelaeus) im Eiszeitalter vielleicht bereits vor etwa 400.000 oder erst vor etwa 125.000 Jahren aus dem Mosbacher Bären (Ursus deningeri), der auch Deninger-Bär genannt wird“, berichtet beispielsweise der Wissenschaftsautor Ernst Probst in seinem Buch der „Der Höhlenbär“ aus dem Jahr 2009.
Und längst nicht alles, was man heute über den Höhlenbären zu wissen glaubt, entpuppt sich bei näherem Hinschauen auch als wirklich korrekt. Das fängt schon an beim Namen. Denn dabei handelt es sich eigentlich um eine Mogelpackung. Die Höhlenbären waren keineswegs, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte, reine Höhlentiere wie die Grottenolme. Vor allem in den wärmeren Monaten verbrachten sie auch viel Zeit im Freien. Etwa um sich Fettpolster für schlechte Zeiten anzufressen oder nach einem passenden Partner zur Fortpflanzung Ausschau zu halten.
Höhlen als letzte Ruhestätte
Vor allem zum Überwintern suchten die Riesenbären dann aber tatsächlich Höhlen auf, die dann als Schlafplatz, tierischer Kreißsaal und Kinderstube fungierten. Denn in diesem Unterschlupf brachten die Weibchen auch ihre nur rund 1.000 Gramm schweren Jungen zur Welt. Wie bei vielen anderen Tieren waren die Höhlenbären-Weibchen deutlich kleiner als ihre männlichen Pendants. Wissenschaftler sprechen in solchen Fällen von einem Geschlechtsdimorphismus.
So weit so gut. Doch warum hat man gerade in den Höhlen so viele fossile Überreste der Höhlenbären gefunden? Während die Antwort auf diese Frage den frühen Hobbyforschern noch einiges Kopfzerbrechen bereitete, ist für die heutigen Wissenschaftler der Fall klar: Vor allem, wenn sich die eiszeitlichen Sohlengänger nicht ausreichend auf den Winter vorbereiteten, wurde die Höhle häufig auch mal zur Gruft.
Zu wenig „Feist“ und zu kalte Winter
„Zu Todesfällen kam es dann, wenn sich die Höhlenbären im Sommer und Herbst nicht genügend Feist angefressen hatten, der Winter ungewöhnlich lang war oder die Tiere zu alt waren, um noch genügend Nahrung aufzunehmen“, schreibt Susanne C. Münzel von der Universität Tübingen in einem Artikel für die Schriftenreihe „Jagdkultur – gestern, heute, morgen“. „Feist“ ist ein Begriff aus der Jägersprache und bedeutet so viel wie „Fett“.
Desöfteren kam es in den Höhlen im Winter zu eiszeitliche Familiendramen. Denn fielen säugende Mütter dem Frost oder einer körperlichen Schwäche zum Opfer, besaß auch der am Anfang noch blinde und nackte Bärennachwuchs keine Chance zu überleben. Dies zeigen die vielen fossilen Knochen von Jungtieren, die man mittlerweile in den Höhlen Europas gefunden hat.
Dieter Lohmann
Stand: 22.07.2011