Die Fähigkeit zu ausgedehnten Wanderungen zwischen Regionen, die zu unterschiedlichen Zeiten besonders günstige Lebensbedingungen bieten, ist vermutlich eine der hauptsächlichen Ursachen für die faszinierende Vielfalt der Vögel. Die Variation der durch Evolution entstandenen Strategien ist dabei unglaublich groß und reicht von kurzen, wenige Kilometer umfassenden Ausweichbewegungen zum Beispiel bei Schneebedeckung bis zu regelmäßigen saisonalen Wanderungen von über 10.000 Kilometern.
Population bestimmt Wanderungsweg
Populationen derselben Vogelarten und sogar verschiedene Geschlechter können deutlich unterschiedliche Zugstrategien verfolgen, wie beispielsweise beim Teichrohrsänger. Bei diesen wandern Angehörige süddeutscher Populationen nach Südwesten und überwintern in Frankreich und Spanien bis nach Nordafrika. In Österreich beringte Teichrohrsänger wurden dagegen vorwiegend im Südosten, in den Balkanländern bis in die Türkei und im Nahen Osten gefunden.
Verschiebung im Laufe der Generationen
Das Zugverhalten kann sich jedoch auch innerhalb eines Vogellebens und über die Generationen hinweg verändern, wie bei der Mönchsgrasmücke. Ihre bevorzugten Winterquartiere änderten sich im Laufe der letzten Jahrzehnte deutlich. Einige Vogelarten wandern in breiter Front in südwestlicher, andere in südöstlicher Richtung über Deutschland und wieder andere wie etwa der Kranich folgen relativ engen „Zugstraßen“.
Einfluss von Alter und Umweltbedingungen
So genannte Invasionsvögel wie Seidenschwanz oder Bergfink führen nur unter bestimmten Rahmenbedingungen ihre auffälligen Wanderungen durch. Der Seidenschwanz folgt dabei beispielsweise seiner Nahrungsgrundlage, den Vogelbeeren und zieht fort, sobald in einem Gebiet Mangel an den Beeren herrscht. Einige wenige andere Arten wandern als Altvögel praktisch gar nicht mehr, jedoch können Jungvögel bis zur Brutansiedlung hunderte Kilometer umherstreifen, so bei der Schleiereule.
Aus dem Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft; Wolfgang Fiedler/ Max-Planck-Institut für Ornithologie; Vogelwarte Radolfzell
Stand: 09.01.2009