Anthropogeographie

Vielseitiger Biokunststoff

Mehrwert für spezielle Anwendungsgebiete

Den mit Abstand größten Marktanteil an Biokunststoffen hat der Verpackungsbereich. Plastikflaschen aus Bio-PET, Bio-Tüten oder Bio-Obstschalen sind hier schon lange keine Seltenheit mehr. Doch wie vielfältig Biokunststoffe tatsächlich sind, zeigt sich auch bei Nischenprodukten. Denn besonders hier wird das Bioplastik nicht nur eingesetzt, um die herkömmlichen Kunststoffe zu ersetzen, sondern auch, um seine spezifischen Vorteile zu nutzen. Der ökologische Nutzen ist dabei nicht immer entscheidend.

Bioplastik im OP

Im Operationssaal vermuten die meisten Menschen sicher keine Biokunststoffe. Doch gerade hier wird Bioplastik schon seit Jahrzenten selbstverständlich eingesetzt. Denn Nahtmaterialien aus Polymilchsäure (PLA) tragen dazu bei, den Patienten das Leben zu erleichtern. Weil sich die Fäden im Körper zersetzen, ersparen sie den Patienten häufig eine zweite Operation, in der Fäden gezogen werden müssten.

Auch für Schrauben, Platten und Implantate, zur Stabilisierung von Knochenbrüchen wird PLA schon eingesetzt. Doch andere Biopolymere haben ebenfalls Potential für die medizinische Anwendung. Österreichische Forscher testen bereits Hydroxybuttersäure als Basis für Implantate aus Biokunststoff. Die Bio-Fäden, Schrauben und Implantate nutzen die Mediziner allerdings nicht wegen ihrer erneuerbaren Rohstoffbasis, sondern wegen ihrer guten Abbaubarkeit im Körper.

Seegras aus Biokunststoff, soll als Brücke für die Anzucht neuer Pflanzen dienen. © Maike Paul

Ausnahmsweise erwünscht: Plastik im Meer

Aus demselben Grund beschäftigt sich ein niedersächsisches Forschungsprojekt mit Seegras aus Bioplastik. Nur steht hier nicht die Gesundheit des Menschen, sondern die der Meere im Vordergrund. Anlass für diese Idee war es, dass Seegraswiesen bedeutende Ökosysteme der Erde sind, die aber gefährdet sind.

Das Problem dabei: Ist eine Seegraswiese einmal zerstört oder dezimiert, siedelt sich kaum neues an. Je weniger Seegras vorhanden ist, desto schwieriger ist die Anzucht neuer Pflanzen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, soll das Seegras aus Biokunststoff übergangsweise im Meer eingesetzt werden, damit sich wieder natürliches Seegras ansiedelt. Dadurch dass sich das Bio-Seegras später wieder zersetzt, bleibt nicht dauerhaft ein künstliches Gebilde im Wasser stehen.

Mulchfolie darf liegen bleiben

In der Landwirtschaft punkten bioabbaubare Materialien ebenfalls vor allem aus praktischen Gründen. Zum Beispiel im Falle der abbaubaren Mulchfolie. Solche Folien werden meistens im Gemüseanbau genutzt, um den Unkrautwuchs zu reduzieren, die Erde warm zu halten und damit das Gemüse nicht zu stark verschmutzt. Nach der Ernte müssen herkömmliche Folien aber wieder entfernt werden. Die biologisch abbaubaren Folien können dagegen liegen bleiben, bis sie sich zersetzen und danach untergegraben werden.

Abbaubare Mulchfolien können Gemüsebauern die Arbeit erleichtern. © F. Kesselring, FKuR Willich/ CC-by-sa 3.0

Die Folien bestehen meistens aus Stärke-Blends, also Gemischen verschiedener langkettiger Kohlenhydrate. Häufig handelt es sich dabei um thermoplastische Stärke, die zusammen mit petrobasierten Kunststoffen verarbeitet wird. Die Blends zersetzen sich aber trotzdem in der Regel nach einigen Wochen.

Eine Kapsel aus Mais und Zuckerrohr

Doch auch Kunststoffe bei denen der Abbau zumindest auf dem Kompost nicht so schnell klappt, können bei den Herstellern punkten. Ein Kaffeeproduzent setzt Biokunststoff inzwischen ein, um eine Alternative zur Aluminiumkapsel zu etablieren. Denn das edle Material hat einen fragwürdigen ökologischen Ruf, weil die Herstellung extrem energieaufwendig ist.

Das Unternehmen entwickelte daher eine Kapsel auf der Basis von Mais und Zuckerrohr. Die Kapsel zersetzt sich innerhalb von zwölf Wochen in einer industriellen Kompostieranlage, und darf deswegen das Keimling-Zeichen tragen. Im Vergleich zum Aluminium könnte die neue Kapsel die Klimabilanz der Kaffeeverpackung, tatsächlich verbessern.

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Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Wundermaterial Biokunststoff
Nischenprodukt oder Werkstoff der Zukunft?

Bio ist nicht gleich Bio
Ein Name zwei Varianten

Vom Lebewesen zum Kunststoff
Die wundersame Verwandlung der Pflanzen und Abfälle

Plastik für die Ewigkeit?
Von zu langer Haltbarkeit und plastikfressenden Bakterien

Umstrittene Ökobilanz
Tatsächlich Bio oder doch nur greenwashing?

Vielseitiger Biokunststoff
Mehrwert für spezielle Anwendungsgebiete

Der komplizierte Weg des Biokunststoff
In welcher Tonne soll er landen?

Renaissance des Biokunststoff
Eine alte Idee wird neu entdeckt

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TU-Chemiker stellen Kunststoffe aus Abfällen her

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