Joachimi Löw, der Vordenker der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, und seine Kollegen Bert van Marwijk aus den Niederlanden und Carlos Caetano Bledorn Verri alias „Dunga“ aus Brasilien haben vielleicht schon bald eines gemeinsam: Sie könnten überflüssig sein – wenigstens zum Teil. Schuld daran sind moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, die längst auch im Fußball Einzug gehalten haben.
Wie zum Beispiel „Caesar“. Dabei handelt es sich um ein Computersystem zur automatischen Analyse von Fußballspielen, das von Informatikern der Technischen Universität München (TUM) entwickelt wurde. Caesar kann schon während eines laufenden Matches den Spielverlauf und die Taktik untersuchen und bewerten. Mithilfe des Computersystems und seinen virtuellen Bildern von allen Aktionen auf dem Spielfeld lassen sich darüberhinaus Spielerprofile erstellen oder umstrittene Situationen auflösen und klären. Den nötigen Input erhält Caesar von den im Stadion installierten Fernsehkameras. Über ein TV-Signal empfängt der Computer alle wichtigen Daten und digitalisiert sie.
Sezieren am Computer
Was dann passiert, beschreiben die Wissenschaftler der TUM um Projektleiter Professor Michael Beetz so: „Bei der Auswertung errechnet Caesar die Position der Kamera, die Richtung und den Zoomfaktor, um anschließend in einem imaginären 3D-Koordinatensystem die exakte Position der einzelnen Beteiligten auf dem Spielfeld zu bestimmen.“
Dann kann es losgehen mit Fragen wie: Wie offensiv (oder defensiv) haben Schweinsteiger oder Khedira operiert? Wie viele Kilometer ist Podolski während des Spiels gelaufen? Wo auf dem Spiel hatte Miroslav Klose seine Ballkontakte? Caesar hilft damit beispielsweise Trainern oder Managern bei der Analyse des Spiels und liefert wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der zukünftigen Mannschaftsaufstellung und -taktik.
3D-Scanner prüft Fußbälle
Hightech kommt aber nicht nur bei der Spielanalyse und bei den Trikots zum Einsatz, sondern auch schon im Vorfeld eines Matches. Während früher die Schiedsrichter mit ihrem geschulten Auge vor Spielbeginn überprüften, ob der Ball in Ordnung und einsatzbereit ist, reichen heute solche subjektiven Kriterien längst nicht mehr aus.
Mittlerweile übernimmt die Bewertung des Spielgeräts ein moderner und leistungsfähiger 3D-Scanner. Erdacht und gebaut haben ihn Wissenschaftler des Prüf- und Forschungsinstitutes Pirmasens (PFI), eines der Institute hierzulande, das Fußbälle nach dem geltenden von der FIFA vorgegebenen „International Matchball Standard“ testen darf.
Abtasten im Sekundentakt
Herzstück der neuen Methode ist ein millimetergenaues, computergesteuertes Digitalisierungsgerät, das Füße, Unterschenkel, Knie, aber eben auch Fußbälle dreidimensional vermessen kann. Diese werden dazu im Sekundentakt abgetastet und so auf ihre Rundheit, Wasseraufnahmefähigkeit oder winzige Fehler im Material hin untersucht. Nur Spielgeräte die in allen Punkten und in vollem Umfang der Norm entsprechen, werden freigegeben und dürfen im Spiel zum Einsatz kommen.
Trotzdem kommt es vor, dass dem einen oder anderen Ball während des Matches im wahrsten Sinne des Wortes langsam die Luft ausgeht. Und die Entscheidung darüber, ob er aussortiert wird oder noch den Regeln entspricht, trifft auch heute nicht der 3D-Scanner, sondern der Schiedsrichter – und zwar ebenfalls in Sekundenschnelle.
Chip im Ball und Torkameras
Noch weniger Zeit bleibt den Referees manchmal bei der Frage Tor oder nicht Tor. Falsche Urteile sind da vorprogrammiert. Viele Bundesliga- und Nationaltrainer fordern deshalb seit langem den Einsatz technischer Hilfsmittel wie einem Chip im Ball oder Torkameras. Die Entwicklung dieser Systeme ist bereits weit fortgeschritten und sie könn(t)en mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit entscheiden, ob der Ball in einer bestimmten Spielszene „drin“ war – oder eben nicht.
Doch solchen technischen Neurungen hat der Weltfußballverband FIFA im März 2010 einen Riegel vorgeschoben. Das International Football Association Board (IFAB) – die obersten Regelwächter im Fußball – beschloss auch in Zukunft auf Hightech-Torrichter zu verzichten. Grund: „Wir sind alle der Meinung, dass die Technologie aus dem Spiel herausgehalten werden muss, denn das Besondere sind die Menschen, und da gehören auch Fehler dazu“, sagte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke.
Dieter Lohmann
Stand: 11.06.2010