Ohne Tierversuche würden uns heute viele Medikamente, Impfstoffe und medizinische Therapien fehlen. Doch nicht alle Experimente sind erfolgreich: Bei der Grundlagenforschung mit Tieren wird nach neuen Erkenntnissen gesucht, ohne dass dies immer einen konkreten oder absehbaren Nutzen für den Menschen hat.
Außerdem handelt es sich bei den Tieren nur um Modelle, die ihre Grenzen haben. Erst, wenn also die physiologischen und molekularen Unterschiede zwischen verschiedenen Tierarten und dem Menschen ausreichend erforscht sind, können Forscher sichere Informationen durch Tierversuche gewinnen und sie als Grundlage für die Forschung am Menschen nutzen.
Das Drei-R-Prinzip
Deshalb dürfen Wissenschaftler in Deutschland nur dann Versuche mit Tieren durchführen, wenn sie damit eine bislang unbeantwortete Fragestellung klären und es keine tierversuchsfreie Forschungsalternative gibt. Bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten sind solche Tests allerdings vorgeschrieben, damit die menschlichen Testpersonen in den Folgestudien ein möglichst geringes Risiko haben.
Für jeden Antrag eines Tierversuchs gelten deshalb bei uns bestimmte Regeln: Die Forscher müssen vorher in einem umfangreichen Genehmigungsformular die sogenannten drei Rs bestätigen – „Replace, Reduce and Refine“. Sie sollen damit belegen, dass die Versuche nicht ersetzt werden können, unverzichtbar sind und noch nie in einem vergleichbaren Tierexperiment getestet wurden. Außerdem sollen die Forschenden möglichst selten und mit wenigen Tieren experimentieren und die Tests so durchführen, dass die Tiere möglichst wenig leiden und Stress empfinden. Der Nutzen für die Forschung soll dabei laut Tierschutzgesetz größer sein, als die Belastung für die Tiere. Jeder Tierversuch bedeutet also ein Abwägen zwischen dem Leid für das Tier und dem möglichen Erkenntnisgewinn für den Menschen.
Ein unabhängiger Tierschutzbeauftragter prüft diesen Antrag und die Begründung der Forscher und kann zum Beispiel Änderungsvorschläge zur Haltung der Tiere machen. Ist der Antrag überarbeitet, schicken die Wissenschaftler ihn an die Genehmigungsbehörde, die ihn mithilfe einer Tierversuchskommission prüft. Oftmals schlägt die Behörde den Forschern schließlich weitere Verbesserungen vor, bevor sie schließlich die Genehmigung erteilt. Bei der Forschung selbst müssen die Verantwortlichen dann regelmäßig Zusammenfassungen und die Zahl der Tiere melden.
Was wird genehmigt?
Zur häufigen Methodik bei Tierversuchen gehört, dass Forscher das Erbgut eines Tieres verändern und es züchten, um so zum Beispiel die Rolle eines Gens bei der Entstehung von Krebs zu verstehen. Zudem werden häufig mehreren Tieren Wirkstoffe unterschiedlicher Dosis gespritzt und danach Blut abgenommen, um die Abbauprodukte des Stoffes zu untersuchen. Im Anschluss töten die Forscher meist die Testtiere, um zu prüfen, wie der Wirkstoff auf die inneren Organe wirkt.
In der Verhaltensbiologie werden Tiere außerdem zum Beispiel durch ein Labyrinth geschickt, in ein Wasserbad gesetzt oder sollen ein Computerspiel lernen. Dabei untersuchen Wissenschaftler etwa das Gehirn der Tiere, indem sie in den Kopf Halterungen für Elektroden implantieren und die elektrischen Ströme messen. Auch erlaubt sind Versuche, in denen die Tieren operiert werden. So zum Beispiel bei der Analyse von Hormonpräparaten wie der Antibabypille. Dafür werden jugendlichen weiblichen Ratten oft zunächst die Eierstöcke entfernt und dann der Wirkstoff verabreicht.
Gezüchtet, benutzt, getötet
Diese Experimente dürfen mit eigens dafür gezüchteten Mäusen, Ratten, Vögeln und Fischen durchgeführt werden, aber auch Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen, Frettchen, Hunde, Katzen, Schweine sowie Affen sind zur Forschung erlaubt. Zudem sind Experimente an Menschenaffen wie Orang-Utans, Bonobos, Gorillas und Schimpansen weltweit – außer in den Niederlanden, Neuseeland, Großbritannien, Schweden sowie Deutschland und Österreich – zugelassen. Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2005 weltweit bis zu 115 Millionen Wirbeltiere für Tierversuche genutzt – Tendenz steigend.