Die Grafschaft Devon in England. Genauer gesagt, die Kleinstadt TaviStock.com in Westen der Region. Wir schreiben etwa das Jahr 1540. Der auf den Ruinen einer Benediktiner-Abtei gegründete Ort ist zwar bereits über 500 Jahre alt. Berühmtheit wird er aber erst durch einen Jungen erlangen, der dort etwa zu diesem Zeitpunkt das Licht der Welt erblickt: Francis Drake.
Spanien und Portugal als Weltmächte
Der Sohn eines Bauern wächst auf in einer Welt, die politisch und wirtschaftlich vor allem von Spanien und Portugal dominiert und kontrolliert wird. Seefahrer und Entdecker wie Christoph Kolumbus, Fernando Magellan oder Vasco da Gama haben in Übersee viele Entdeckungen und Eroberungen gemacht. Die Iberer kontrollieren den Handel mit den teuren und begehrten Gewürzen und beuten die Gold- und Silberschätze Südamerikas aus. Das protestantische England fährt zwar auch schon seit Jahren zur See, spielt aber zu der Zeit allenfalls eine Rolle als „Underdog“.
In Drakes Kindheit deutet noch nichts daraufhin, dass er an der Verschiebung dieser Machtverhältnisse entscheidend beteiligt sein wird – und dass er später Geschichte schreiben wird als Seemann und gefürchteter Pirat. Denn Francis ist nur der erste von insgesamt zwölf Sprösslingen der Familie Drake. Sein Vater Edmund und der Rest des Clans müssen viel arbeiten, dennoch reicht das Geld gerade mal zum Überleben. Und dann sind da auch noch die ständigen Konflikte mit den Katholiken in der Region. Letztere eskalieren und die Drakes müssen Hals über Kopf ihr Land verlassen und in Plymouth und später in Gillingham in Kent Schutz suchen. Noch bevor Drake zehn Jahre alt ist, hat ihm Edmund trotz der widrigen Lebensumstände Lesen und Schreiben beigebracht – immerhin.
Die See ruft
Mit 13 Jahren passiert dann etwas, dass das gesamte Leben von Francis Drake auf den Kopf stellt: Er entdeckt die Leidenschaft fürs Meer. Zuerst eher unfreiwillig, denn Edmund will seinen Sohn gut versorgt wissen und gibt ihn in die Obhut seines Nachbarn. Dieser besitzt ein einfaches Segelschiff, eine sogenannte Bark. Damit ist er im Küstenhandel aktiv und fährt von Plymouth aus unter anderem Frankreich und die heutigen Niederlande an.
Der Schiffseigner zeigt sich als guter Lehrmeister und bringt seinem jungen Helfer viel über das Führen und Steuern eines Schiffes bei. Das Leben an Bord ist hart, aber Drake zeigt sich sehr aufgeschlossen, gewissenhaft – und er lernt schnell. Schon bald versteht er zur Freude seines Ausbilders sein Handwerk als Steuermann ausgezeichnet und ist nur noch selten auf Hilfe angewiesen.
Sklavenhandel als Chance
Der Skipper ist von dem nun rund 20 Jahre alten Drake so angetan, dass er ihn in seinem Testament berücksichtigt und ihm nach seinem Tod sogar das Küstenschiff vererbt. Einige Zeit später wird Drake der Bark jedoch überdrüssig, die seiner Meinung nach nur öde und langweilig „die Küste entlang kriecht“. Ihm steht der Sinne nach mehr als nur sicheren und einfachen Handelsreisen. Als Spanien ihm und seinen Kollegen dann auch noch verbietet, die zum spanischen Reich gehörenden Niederlande anzulaufen, hat Drake genug. Er verkauft die Bark und hält Ausschau nach einer neuen, auch finanziell lukrativen Herausforderung. Schließlich muss er irgendwie seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Schon bald bietet sich eine günstige Gelegenheit: der Sklavenhandel. Die von Kolumbus rund 70 Jahre zuvor entdeckte „Neue Welt“ hat großen Bedarf an billigen Arbeitskräften und Schwarzafrikaner stehen dabei besonders hoch im Kurs. Eigentlich dürfen nur spanische Schiffe die Überseegebiete mit Sklaven beliefern, aber die dortigen Siedler in den Vorposten nehmen es meist nicht so genau und kaufen auch anderen die begehrten Helfer ab.
Dieter Lohmann
Stand: 02.09.2011