Nicht nur in der Bodyhacker-Szene, auch in der Medizin und Wissenschaft machen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine gerade eine rasante Entwicklung durch. Das Spektrum reicht von Herzschrittmachern und implantierten Insulinpumpen über Cochlea-Implantate bis hin zu Roboterarmen und Fluggeräten, die durch die Kraft der Gedanken gesteuert werden. Und sogar eine Art Telepathie gelingt durch die Verschmelzung von Mensch und Maschine.
Gedanken steuern Roboterarm
Eine der ersten Querschnittsgelähmten mit einem gedankengesteuerten Ersatzarm war 2012 eine 58-jährige US-Amerikanerin. Nach einem Hirnschlag war sie 15 Jahre lang vom Kopf abwärts gelähmt und konnte nicht einmal mehr ihre Arme bewegen. Doch dank eines „Cyborg“-Implantats kann sie nun wieder selbst eine Kaffeetasse halten und zum Mund führen und Gegenstände ergreifen.
Möglich wird dies durch ein nur vier Millimeter kleines Elektrodenplättchen in ihrem Gehirn. Forscher des BrainGate-Projekts haben diese Elektroden an die Stelle ihrer Großhirnrinde implantiert, die früher die Bewegung ihres Arms kontrollierte. Statt in den gelähmten Arm werden die Bewegungsbefehle ihres Gehirns nun jedoch über die Elektroden an einem Computer geleitet. Dieser übersetzt die Hirnsignale in Befehle, die ein Roboterarm ausführen kann. „Es fühlt sich ganz natürlich an, mir vorzustellen, dass sich meine rechte Hand in die Richtung bewegt, in die ich den Roboterarm steuern möchte“, schildert die Patientin das Gefühl dabei.
Inzwischen ist sie nicht mehr die einzige, die mit der Kraft ihrer Gedanken künstliche Gliedmaßen steuert: Weit verbreitet sind Schnittstellen zwischen Nervensystem und Technik auch bei den modernen Prothesen von Amputierten. Sie sind über Elektroden an die Nerven der verblieben Arm- oder Beinstümpfe gekoppelt und erlauben so eine direkte Kontrolle ihrer Bewegungen.
Fühlende Prothesen und Retina-Implantate
Doch auch der umgekehrte Weg existiert bereits: Technik, die nicht Gliedmaßen, sondern fehlende oder geschädigte Sinnesorgane ersetzt. So haben Forscher bereits Sensoren entwickelt, die Menschen ihren Tastsinn zurückgeben – beispielsweise an einer Armprothese. Über die Elektrodenverbindung zwischen Technik und Nervensystem übertragen diese Systeme die Informationen von Drucksensoren an das Gehirn der Patienten.
Nach ähnlichem Prinzip funktionieren Retina-Implantate für Blinde: Winzige, ins Auge eingepflanzte Fotosensoren reagieren auf die Lichtreize der Umwelt und senden entsprechende elektrische Signale über den Sehnerv ans Gehirn. Noch können diese Implantate zwar nicht die volle Sehkraft wiederherstellen. Die Patienten sehen aber immerhin wieder Hell-Dunkel-Kontraste und Formen – für viele komplett Erblindete ist schon dies eine große Erleichterung im Alltag.
„Technische Telepathie“
Aber auch jenseits der Medizin forschen Wissenschaftler inzwischen intensiv an Mensch-Maschine-Schnittstellen. So lassen sich Autos, Modell-Hubschrauber und sogar Flugzeuge mit Gedankenkraft steuern. Dies geschieht allerdings nicht per Implantat, sondern über Elektrodenkappen, die außen am Schädel anliegen. Diese „Cyborg“-Erfahrungen sind daher reversibel.
Noch einen Schritt weiter gehen Forscher, die mittels Technik eine direkte Hirn-zu-Hirn-Kommunikation ermöglichen wollen – quasi eine technische Variante der Telepathie. Dabei werden Hirnströme des Senders aufgezeichnet, digitalisiert und über Computer und Internet übertragen. Beim Empfänger werden diese Signale dann mittels implantierter Elektroden oder durch externe Magnetfelder wieder ins Gehirn eingespeist.
Was utopisch klingt, haben Wissenschaftler bereits verwirklicht – sowohl bei Ratten als auch mit menschlichen Probanden. Bei Letzteren übertrug diese „technische Telepathie“ immerhin schon einfache Worte: „Hola“ und „Ciao“.
Noch sind solche Experimente eher umstrittene Vorstöße von einzelnen. Doch nicht wenige KI-Forscher, Bodyhacker und selbsternannte Transhumanisten sehen in der zunehmenden Verschmelzung von Mensch und Maschine unsere Zukunft. „Die Fähigkeit, uns selbst upzugraden, mit machtvollen neuen Fähigkeiten – das ist die Zukunft der menschlichen Evolution“, heißt es dazu auf der Website von Dangerous Things.
Nadja Podbregar
Stand: 16.03.2018