Ende August 2017 endet für die Golfküste der USA eine lange Phase trügerischer Ruhe: Seit 2005 hat kein Hurrikan der Kategorie 3 oder höher die Küste der Südstaaten mehr erreicht. Nach den Mega-Stürmen Katrina und Wilma schien sich die Lage in dieser notorisch sturmgefährdeten Region entspannt zu haben. Doch „Harvey“ hat dem nun ein Ende gesetzt – und dies auf unberechenbare und ungewöhnliche Weise.
{1r}
„Ein beispielloses Ereignis“
Schon Mitte August kündigt sich Unheil an, als das Tiefdruckgebiet schnell von Osten her über den tropischen Atlantik in die Karibik zieht und dabei immer mehr an Stärke gewinnt. Zunächst scheint Harvey jedoch „nur“ ein Tropensturm zu werden und er schwächt sich sogar vorübergehend ab. Dann jedoch kommt die unerwartete Wende – im wahrsten Sinne des Wortes: Harvey weicht von seinem bisherigen Westkurs ab und dreht nach Norden. Gleichzeitig verstärkt er sich zu einem Hurrikan der Kategorie 4.
Am 25. Augst erreicht der Sturm die Küste von Texas. Mit Windgeschwindigkeiten von 200 Kilometern pro Stunde und sintflutartigem Regen lässt er die texanische Küste in Chaos und Hochwasser versinken. In Houston, der viertgrößten Stadt der USA, steht das Wasser den Menschen buchstäblich bis zum Hals. Mehr als ein Meter Niederschlag geht aus den Sturmwolken auf die Region nieder.
„Dieses Ereignis ist beispiellos und jenseits von allem, was wir jemals erlebt haben“, twittert der US National Weather Service am 27. August. Die Folgen seien nicht absehbar. Der Tropensturm gilt schon jetzt als eine der schlimmsten Wetterkatstrophen der USA.
Warum so viel Regen?
Was aber macht Harvey so extrem? Seine Intensität als Sturm ist dafür nur zum Teil verantwortlich. Denn der Hurrikan erreicht bei Landfall zwar die Kategorie 4, schwächt sich dann aber rapide ab. Weitaus dramatischer ist der sintflutartige Regen, mit dem der Sturm die Küstengebiete überzieht. Allein in Houston fallen an den ersten Tagen mehr als 100 Zentimeter Niederschlag.
Bereits am 29. August meldet der US-Wetterdienst einen neuen Regenrekord für Texas: Noch nie ist aus einem einzigen tropischen Zyklon so viel Niederschlag gefallen wie bei Harvey. Noch schlimmer aber: Der Regen lässt nicht nach. Noch Tage nach seinem Landfall fallen aus den Sturmwolken von Harvey scheinbar nicht enden wollende Wassermassen. Als Folge laufen Reservoire über, das Wasser staut sich über der durchnässten Erde und schwemmt Brücken und Flussufer weg.
Verschlimmert durch den Klimawandel
Was aber ist schuld an dieser Sintflut? Nach Ansicht des US-Klimaforschers Michael Mann steht der Schuldige fest: Der Klimawandel wars. Denn wie er vorrechnet, sind die Meerestemperaturen im Golf von Mexiko in den letzten Jahrzehnten um ein bis eineinhalb Grad gestiegen. „Das Wasser im Golf von Mexiko ist momentan nicht nur ungewöhnlich warm, es gibt dort auch eine tiefere Schicht warmen Wassers, von der Harvey zehren konnte“, erklärt der Forscher im „Guardian“. Weil mehr Wasser von der Meeresoberfläche verdunstet, steht mehr „Treibstoff“ für Tropenstürme wie Harvey zur Verfügung.
Hinzu kommt, dass auch die Atmosphäre wärmer geworden ist. Dadurch kann die Luft heute drei bis fünf Prozent mehr Feuchtigkeit aufnehmen als noch vor Jahrzehnten. Für Harvey bedeutet dies: Der Tropensturm konnte in seinen Wolkenmassen mehr Wasser speichern und regnete diese dann über Texas und Louisiana ab. Durch den gleichen Effekt müssen wir künftig auch in Europa und anderswo mit mehr Starkregen rechnen.
Nadja Podbregar
Stand: 01.09.2017