Auch geschichtlich lässt sich der Status Tibets nicht eindeutig klären. Denn im Laufe von Jahrhunderten haben die Machtverhältnisse in der Region immer wieder gewechselt. Zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert war Tibet ein mächtiges Königreich. Als die Mongolen die Region eroberten, wurde Tibet in das Mongolenreich eingegliedert. Die buddhistischen Führer der Tibeter unterstellten sich dem geistlichen Schutz der Mongolen, sicherten diesen im Gegenzug militärische Unterstützung zu und wurden von den Khans als Vizekönige eingesetzt.
Der Aufstieg der Dalai Lamas
Die Herrschaft der Dalai Lamas, sowohl als religiöse als auch als politische Führer des Tibets begann im Jahr 1642, als die Mongolen die Regierungsgewalt auf den religiösen Repräsentanten der jüngsten Budhismus-Schule übertrugen – den damaligen 5. Dalai Lama. Aus dieser, der Gelugpa-Schule, der jüngsten von vier Schulen des Buddhismus, sind alle weiteren Dalai Lamas hervorgegangen und haben seitdem stets den Status als höchste Autorität aller Tibeter beansprucht.
Als die Herrschaft der Mongolen endete und China seinen Einflussbereich ausdehnte, wurde die weitgehende Autonomie Tibets durch chinesische Langzeit-Gesandte am tibetischen Hof und chinesische Garnisonen in Tibet teilweise beschnitten. Bis zum Jahr 1911 nahm Tibet die Stellung eines mit China assoziierten Gebietes ein – Peking war für Außenpolitik und Militär verantwortlich, ansonsten verwalteten die Dalai Lamas den Tibet selbständig.
Feudales System bis ins 20. Jahrhundert
Das bedeutete bis ins 20. Jahrhundert hinein ein feudales System mit drei unterschiedlichen Besitzformen: dem freien Grundbesitz, den Ländereien adliger Familien und denen, die unter der Verwaltung buddhistischer Klöster standen. Noch Mitte der 1950er Jahre galt etwa die Hälfte der 1,25 Millionen Tibeter als abhängig von Adel und Klöstern.
Zur Zeit des Great Game, bei dem Russland und England ihre Einsflusssphären in Zentralasien festlegten, gewann Russland in Tibet auf diplomatischem Gebiet Oberhand. England wollte dies unterbinden und setzte Tibet mit einem Militäreinmarsch von Indien aus unter Druck. 1904 entstand ein Abkommen zwischen England, Tibet und China, das den Handel zwischen Tibet und Britisch-Indien erzwang, die Grenzen öffnete.
Die Claims der Großmächte
1907 anerkannten Russland und England die Souveränität Chinas über den Tibet. China festigte den Anspruch mit Militärpräsenz im Tibet. Als die chinesische Kaiser-Dynastie gestürzt wurde und die letzten chinesischen Truppen aus Lhasa vertrieben worden waren, erklärte der damalige 13. Dalai Lama Tibet für unabhängig – anerkannt wurde die Unabhängigkeit jedoch weder von China, noch von der internationalen Staatengemeinschaft.
In den Folgejahren war Chinas Aufmerksamkeit durch den Bürgerkrieg im eigenen Land und den chinesisch-japanischen Krieg beansprucht. Doch als 1949 die Volksrepublik China gegründet wurde, erinnerte man sich wieder an das Gebiet im Südosten des Landes. Im Oktober 1950 erreichte die chinesische Volksbefreiungsarmee Osttibet – die tibetische Armee kapitulierte. Seitdem ist Tibet eine Verwaltungseinheit Chinas.
Die entscheidende Unterschrift
Am 17.11.1950 übernahm der heutige 14. Dalai-Lama die Regierungsgeschäfte. Im Jahr 1951 unterzeichnete eine tibetische Delegation das „17-Punkte-Abkommen“ in Peking, in dem sich Tibet unter die Herrschaft Chinas begab, jedoch einen souveränen Status zugesichert bekam. In dem Abkommen wurde geregelt, dass das bestehende tibetische politische System unverändert bleiben und Religion, Sitten und Gebräuche respektiert werden sollten. Die heutige tibetische Exil-Regierung geht noch immer davon aus, dass die tibetische Delegation, die das Abkommen unterschrieb, nicht legitimiert war.
Symbolhafter 10.März
1956 erklärte China Tibet zum Autonomen Gebiet. Am 10. März 1959 kam es dann zum Volksaufstand in Tibet. Von den chinesischen Truppen blutig niedergeschlagen, soll der Aufstand rund 80.000 Tibeter das Leben gekostet haben. Mehr als 100.000 Tibeter flohen nach Indien ins Exil, unter ihnen auch der Dalai Lama.
Seit 1959 ist der 10. März deshalb jährlich Anlass für politische Demonstrationen und Stellungnahmen des Dalai Lama, um auf die Unterdrückung der Tibeter durch die chinesische Zentralregierung aufmerksam zu machen.
Auch in diesem Jahr – im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking – kam es am 10. März zu Demonstrationen, die vom chinesischen Militär zunächst nur beobachtet aber nicht verhindert wurden. Tenor der Forderungen – Unabhängigkeit, Autonomie und Freiheit für Tibet. Erst am 14. März griffen die Chinesen ein, als es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen unter den Demonstranten kam. Das Medienecho weltweit ist enorm, China wird für sein hartes Durchgreifen gegenüber den Demonstranten verurteilt.
Laut chinesischer Regierungserklärung kamen bei den Unruhen 20 Zivilisten zu Tode. Die tibetische Exilregierung dagegen spricht von mindestens 140 Toten, Hunderten Verletzen und zahlreichen Inhaftierungen.
Stand: 30.08.2008