Lange Zeit war der Hauptrohstoff für Kunststoffe Erdöl oder Erdgas. Aus ihren Kohlenwasserstoffen werden die langkettigen Verbindungen hergestellt, die das Plastik flexibel und gleichzeitig fest machen.
Mit der Verbreitung von Biokunststoffen hat sich das geändert, denn zumindest die biobasierten Kunststoffe bestehen ganz oder teilweise aus erneuerbaren Rohstoffen. Trotzdem sollen sie genauso vielseitig sein wie ihre Vorbilder: mal elastisch, mal durchsichtig und hauchdünn oder stabil und bunt, wie ein Legobaustein. Genauso vielfältig wie ihre Anwendung sind dementsprechend auch die Rohstoffe aus denen Biokunststoffe bestehen. Hauptsache daraus lassen sich die kunststofftypischen Molekülketten bilden.
Zuckerrohr, Milch, Weizen, Kautschuk, Schlachthofabfälle – die Liste der Ausgangsmaterialien lässt sich beliebig weit fortführen. Denn als Basis der Kunststoffe dienen in der Regel Biopolymere, die natürlich in Lebewesen vorkommen. Deswegen nutzen die Hersteller für die Kunststoffproduktion sowohl Pflanzenteile als auch Produkte von Tieren oder Tomatenreste die in der Lebensmittelproduktion anfallen. Aber wie genau werden unsere Kunststoffe nun Bio?
Von der süßen Pflanze zum Alkohol
Die Rohstoffquelle für den meistverbreiteten Biokunststoff weltweit ist eine süße Pflanze aus der Familie der Gräser – das Zuckerrohr. Nachdem das Gewächs jahrhundertelang hauptsächlich für die Zuckerproduktion angebaut wurde, entdecken inzwischen immer mehr Branchen seine vielfältigen Qualitäten. Zuerst für die Verarbeitung zum Biokraftstoff und nun für die Herstellung von Bio-PET (Bio-Polyethylenterephthalat).
Zuckerrohr braucht ein tropisches- bis subtropisches Klima und viel Wasser, um gut zu gedeihen. Dann können die Hersteller aus der Melasse, dem braunen Sirup der Pflanzen, Bioethanol produzieren. Der Alkohol ersetzt bei der Kunststoffherstellung die Terephatalsäure, die gemeinsam mit Monoethylenglykol die Hauptkomponenten für die Herstellung von PET sind. Da der Bioethanol nur die Säure ersetzt, wird PET quasi durch einen simplen Rohstoffaustausch zum Bio-PET. Bisher beruhen aber meistens nur circa 30 Prozent des Kunststoffs auf Zuckerrohr, deswegen nennt sich das verbreitetste Material Bio-PET 30.
Das Bio-PET hat dieselben Produkteigenschaften wie sein konventionelles Vorbild und gehört damit zur Gruppe der sogenannten „drop in“ Lösungen. Die Wertschöpfungskette wird bei solchen Kunststoffen nur am Anfang verändert. Dadurch sparen die Produzenten Zeit bei der Entwicklung und Vermarktung, ihrer Produkte. Im Falle des Bio-PET ist der Kunststoff ebenso haltbar, bruchsicher und transparent wie der petrochemische PET. Aus diesem Grund ist er aber auch nicht biologisch abbaubar. Er kann aber zusammen mit herkömmlichem PET recycelt werden.
Kautschukbälle zu Ehren der Götter
Ein weiterer Vertreter der Biokunststoffe hat eine wesentlich längere Geschichte als das Bio-PET: der Naturkautschuk. Denn schon die Mayas verwendeten Kautschukbälle für Spiele, die sie zu Ehren der Götter veranstalteten. Damals wie heute gewinnt man den Milchsaft (Latex) hauptsächlich aus dem Kautschukbaum Hevea brasiliensis. In der Natur schützt der Saft den Baum zum Beispiel vor einem Bakterienbefall. Dazu tritt Saft aus der verletzten Stelle der Baumrinde aus und dichtet diese ab.
Bei der Verarbeitung zu Gummi werden dem Rohstoff meistens Stabilisatoren zugegeben. Diese Zusätze sind in der Regel nicht biologisch abbaubar und verbinden sich mit dem Naturkautschuk. Dennoch zählt auch Gummi zu den rein biobasierten. Bis heute wird noch circa 40 Prozent des Gummibedarfs aus Naturkautschuk hergestellt.
Die Nachfrage nach Naturkautschuk steigt momentan, weshalb Forscher nach Alternativen zum Kautschukbaum suchen. Forscher des Fraunhofer-Instituts haben deswegen russischen Löwenzahn für sich entdeckt. Aus dem Milchsaft der Pflanze haben sie ebenfalls Kautschuk hergestellt, der zu Autoreifen verarbeitet wurde. Im Test hat er sich bereits bewährt.
Was Tomatenketchup mit Autos zu tun hat
Ein anderer Weg, um an die begehrten Biopolymere zu gelangen, ist die Verwendung von Abfallprodukten. Denn dahinter steckt eine simple Idee: Müll, vor allem aus der Lebensmittelindustrie, beinhaltet ebenfalls vielversprechende Rohstoffe. Er braucht jedoch keine Extra- Energie wie der Pflanzenanbau und konkurriert nicht mit Nahrungsmitteln.
Eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Kooperation gingen deswegen der Ketchupproduzent H. J. Heinz und der Autobauer Ford ein. Ingenieure beider Unternehmen erforschen, ob sich aus den Tomatenresten der Ketchupproduktion stabile und leichte Kunststoffe herstellen lassen. Dafür testen die Ingenieure, ob sie aus getrockneten Tomaten Innenablagen für Autos herstellen können und inwieweit sich Samen, Stängel und Schalen eignen, um daraus 100 Prozent biobasierten Kunststoff herzustellen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Die Rohstoffpalette ist mit diesen Produkten aber lange noch nicht abgedeckt. Aus Weizen, Mais und Kartoffeln wird beispielsweise thermoplastische Stärke (TPS) hergestellt. Diese Pflanzen enthalten Mehrfachzucker (Polysaccharide), die dazu dienen die Zellwand zu stützen – aber der sich auch als Grundstoff und Beimischung für Bioplastik eignet.
Doch den Hauptbestandteil der Zellwand, die Zellulose, kann man ebenfalls chemisch lösen und wieder neu als Faser zusammensetzen, woraus unter anderem Viskose besteht. Doch auch Pflanzenöle, Proteine oder Lignin dienen als Basis für die Biokunststoffproduktion und können wahlweise direkt aus der Pflanze oder aus Abfällen gewonnen werden. Der Fantasie der Kunststoffhersteller sind damit kaum Grenzen gesetzt.
Hanna Diewald
Stand: 14.10.2016