Stonehenge ist ohne Zweifel der Star unter den vorzeitlichen Bauwerken Europas. Über keines wurde so viel spekuliert, fantasiert und geschrieben, keines erfreut sich auch heute noch so großer Beliebtheit. Die im idyllischen Wiltshire in England liegende Anlage ist Jahr für Jahr Ziel tausender Touristen, sie gilt geradezu als „must“ im Sightseeing-Programm.
Für unsere Vorfahren war das Ensemble aus mehreren Steinkreisen und einem umgebenden Graben vermutlich kaum weniger faszinierend als für uns heute. Das in der Jungsteinzeit vor rund 5.100 Jahren begonnene und dann in mehreren Phasen immer wieder aus- und umgebaute Steinmonument ist durch seine schiere Größe, aber auch durch die Vielzahl von astronomischen und kultischen Bezügen einzigartig.
Über einen Zeitraum von mindestens 4.000 Jahren hinweg wurde Stonehenge für Rituale, Festlichkeiten und astronomische Beobachtungen genutzt, nach Ansicht einiger Forscher vielleicht sogar bis zum Aufkommen des Christentums in Britannien um 500 nach Christus. Das Besondere daran: die Menschen, die Stonehenge in den verschiedenen Zeiten umbauten und als heiligen Ort nutzten, gehörten ganz unterschiedlichen Völkern an.
Damit repräsentiert Stonehenge auch – wie kaum ein anderer Ort – das gesammelte himmelskundliche Wissen unserer Vorfahren. Was sich allerdings wirklich an astronomischen Bezügen in den zahlreichen Teilen des Bauwerks verbirgt, und wie die Bewohner der Region es genutzt haben, darüber herrscht bis heute keine Einigkeit.
56 Holzpfosten und ein großer Graben
Die ersten Anfänge der Anlage errichteten Menschen der Windmill-Hill-Kultur etwa 3.100 v. Chr.. Sie gelten als die ersten sesshaften Bauern Englands. Stonehenge bestand damals aus einem kreisförmigen Erdwall von 115 Metern Durchmesser mit Graben, einem Ring aus 56 Holzpfosten und einem einzelnen großen Stein außerhalb des Kreises. Die Reste der Holzpfosten sind noch heute als die so genannten Aubrey-Löcher erhalten.
Schon diese erste Anlage trägt einige Anzeichen dafür, dass die steinzeitlichen Hirten die Eckdaten des Sonnenjahres, aber auch den Mondzyklus kannten. So entspricht die Zahl der Aubrey-Löcher genau drei Mal 18,6 – dem Zeitraum, der zwischen zwei großen Mondwenden liegt. Wie weit die astronomische Funktion und Symbolkraft dieses ersten Stonehenges wirklich reichte, ist jedoch bis heute unklar.
Sonne und Mond im Blick
Ab 2.600 v. Chr. ergänzten Angehörige der Glockenbecher-Kultur – so benannt nach der charakteristischen Form ihrer Tongefäße – die Holzkonstruktion durch zwei Halbkreise aus aufrechtstehenden Blausteinen. Diese 80 vulkanischen Steine, jeweils vier Tonnen wiegend, stammten aus einem knapp 400 Kilometer entfernten Abbaugebiet in Wales. Wie diese Steine nach Stonehenge gekommen sind, ist bis heute ein Rätsel. Auch der doppelt so große Altarstein aus grünem Sandstein stammt vermutlich aus dieser Zeit, ebenso wie die durch Erdwälle begrenzte Prozessionsstraße und der in ihr liegende Fersenstein (heel stone).
Die über Umwege aus Nordspanien eingewanderten Glockenbecher-Menschen bauten Stonehenge jedoch nicht einfach nur aus, sie erweiterten und präzisierten auch seine astronomischen Bezüge. Denn Sonne und Mond standen für sie im Zentrum ihres Glaubens. So zeigt ein langgezogenes Rechteck aus vier Stationssteinen kombiniert mit den Aubrey-Pfosten nun genau auf die Auf- und Untergänge der Sonne zu den Sonnenwenden. Die Steine geben aber auch die Richtung auf den südlichsten Mondaufgang und den südlichsten Monduntergang zur großen Mondwende an. Zwei einzelne Steine in der Prozessionsstraße weisen zudem, wenn sie vom nördlichsten Stationsstein angepeilt werden, jeweils auf Sonnen- beziehungsweise Mondaufgang zur Tagundnachgleiche.
Am Ende dieser Phase hatte sich Stonehenge wahrscheinlich bereits zum führenden kultischen Zentrum der gesamten Region entwickelt und löste damit den nahegelegenen Kreis von Avebury ab. Doch seine Hochphase stand erst noch bevor…
Stand: 01.02.2008