Sommer 2006: Aus einem Schutzgebiet in Tirol wandert ein Bär mit der offiziellen Bezeichnung „JJ1“ über die Grenze nach Deutschland ein. Er kommt aus dem italienischen Naturpark Adamello-Brenta und ist der erstgeborene Sprössling der Bärin Jurka und des Bären Jose – daher die Benennung JJ1. Von den Medien erhält dieser erste wilde Bär auf deutschem Boden seit fast 180 Jahren bald den Spitznamen „Bruno“ – die Menschen sind begeistert von der Rückkehr des großen Raubtieres nach Deutschland.
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Rückkehr mit Hindernissen
Aber die Freude hält nicht lang: Bruno wird zum „Problembären“ deklariert und schließlich zum Abschuss freigegeben. Der Bär zeigt nach Ansicht der Behörden zu wenig Scheu vor dem Menschen und hat mehrere Schafe gerissen. Versuche, Bruno mit Gummigeschossen zu „vergrämen“, wie es in der Fachsprache heißt, sind fehlgeschlagen. Ähnlich auffällig soll sich auch bereits seine Mutter verhalten haben. Nach wochenlangen vergeblichen Versuchen, Bruno lebend zu fangen, wird er schließlich am 26. Juni 2006 abgeschossen.
Den zuvor letzten freilebenden Braunbär in Deutschland erlegte im Jahr 1835 ein Jäger in der Nähe des bayrischen Ortes Ruhpolding. Bereits in den rund 300 Jahren zuvor mussten die Bären der immer dichteren Besiedelung durch den Menschen weichen. Während sie um das Jahr 1500 noch in fast ganz Deutschland zu finden waren, gab es sie um 1700 nur noch in wenigen Rückzugsgebieten. Trotzdem wurden sie immer weiter bejagt, bis sie schließlich ganz aus Deutschland verschwunden waren.
Zurzeit gibt es in Deutschland keine freilebenden Braunbären. Eine erneute Einwanderung von Tieren wie Bruno ist aber nicht ausgeschlossen, denn in umliegenden Ländern kommen sie durchaus vor. In Slowenien und Kroatien leben zurzeit etwa tausend Braunbären. An Brunos Herkunftsort in Norditalien sind es knapp 50 Tiere. Eine in den französischen Pyrenäen ausgewilderte Population umfasst zwischen zehn und zwanzig Bären. In Österreich gibt es seit Anfang der 1990er Jahre Programme, um die Räuber im Alpenraum wieder anzusiedeln – allerdings mit bislang mäßigem Erfolg. Seit 2003 ist der Bestand von 15 bis 20 Bären in Österreich nicht weiter gewachsen. Auch in der Schweiz gibt es regelmäßige Sichtungen von eingewanderten Braunbären.
Mensch und Bär – zusammen unmöglich?
Solche Einwanderer lassen immer wieder Diskussionen aufflammen – Braunbär und Mensch in gemeinsamem Lebensraum scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Die meisten Bären suchen das Weite, wenn sie einen Menschen wittern und halten sich von menschlichen Ansiedlungen fern. Manche allerdings lernen, dass es dort leichte und lohnenswerte Beute gibt: Mülltonnen, Bienenstöcke, Schafe auf der Weide oder Hühner im Stall. Solche „Problembären“ oder „Risikobären“ ohne Furcht vor Menschen können dann gefährlich sein und werden verjagt oder gar getötet.
Brunos jüngeren Brüdern erging es nicht besser: JJ2, Spitzname „Lumpaz“ verschwand 2005 in der Schweiz und fiel vermutlich Wilderern zum Opfer. JJ3 musste im April 2008 ebenfalls in der Schweiz erlegt werden, nachdem er keinerlei Scheu vor Menschen gezeigt und bereits mehrere Mülltonnen geplündert hatte.
Bruno befindet sich übrigens noch immer in Deutschland: Italien forderte zwar die Rückgabe des Kadavers, da der Bär ursprünglich aus einem Schutzgebiet auf italienischem Boden stammte. Seit 2008 steht der Bär jedoch ausgestopft im Museum Mensch und Natur in München – dasselbe Museum, das auch den vormals letzten deutschen Bären zeigt. Das Ausstellungsstück präsentiert den furchtlosen Bruno beim Plündern eines Bienenstocks.
Ansgar Kretschmer
Stand: 04.07.2014