Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Kosmologen in den letzten 20 Jahren der Expansionsgeschichte des Universums und ihrer Vermessung besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben. Seit 2015 fördert die DFG eine Heisenberg-Professur an der Universität Hamburg, die es sich unter anderem zum Ziel gesetzt hat, eine besonders elegante und effektive
Methode zur Vermessung der Ausdehnungsgeschichte zu entwickeln.
Von Indizien…
Die Methode ist zwar schon im Jahr 1962 zum ersten Mal vorgeschlagen worden, aber hat bisher weit jenseits des technisch Machbaren gelegen. Dabei geht es im Prinzip einfach darum, die Bewegung des Universums zum ersten Mal direkt sichtbar zu machen. Eine solche „Echtzeit-Beobachtung“ würde sich fundamental von allen anderen kosmologischen Beobachtungen
unterscheiden.
Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, stellen wir uns ein einzelnes Foto eines galoppierenden Pferdes vor. Anhand verschiedener Merkmale, wie zum Beispiel der Beinstellung oder der wehenden Mähne, kann leicht darauf geschlossen werden, dass das Pferd in Bewegung sein muss. Der Nachweis der Bewegung aber beruht letztendlich auf unserer Modellvorstellung davon, was ein Pferd ist und wie es sich bewegt, und bleibt somit indirekt.
…zum kosmischen „Daumenkino“
Übertragen auf das sich bewegwende Pferde folgt daraus: Wenn man nun festgestellt hat, dass die besagte Modellvorstellung fehlerhaft ist, dann ist es natürlich wünschenswert, die Abhängigkeit davon so weit wie möglich zu reduzieren. In der Tat ließe sich ein sehr viel direkterer Nachweis der Bewegung mithilfe eines zweiten Fotos führen, das kurz nach dem Ersten aufgenommen wurde.
In diesem Fall könnte durch den Vergleich der beiden Fotos direkt eine Veränderung gemessen und somit unmittelbar auf die Bewegung geschlossen werden – ohne auf unsere Modellvorstellung eines Pferdes zurückgreifen zu müssen, ja sogar ohne zu wissen, was ein Pferd überhaupt ist!
Eine ähnliche Herangehensweise soll nun auch auf die Ausdehnung des Universums angewandt werden. Die Idee dabei ist, die Eigenschaften von kosmologisch weit entfernten Objekten über Jahre hinweg immer wieder zu vermessen, um aus ihrer zeitlichen Veränderung direkt die Ausdehnungsgeschichte des Universums abzuleiten.
Dass diese recht simpel anmutende Idee nicht schon längst in die Praxis umgesetzt wurde, liegt daran, dass die zu erwartenden Veränderungen extrem klein sind. Gemessen an den 13,8 Milliarden Jahren, über die sich die Entwicklung des Universums bisher vollzogen hat, ist eine Beobachtungsdauer von einigen Jahren einfach ein winzig kleiner Zeitraum, in dem die Ausdehnung des Universums dementsprechend auch nur winzige Veränderungen hervorrufen kann.
Um diese dennoch vermessen zu können, bedarf es einer extrem hohen Messgenauigkeit, die bisher einfach noch nicht erreicht werden konnte.
Autor: Prof. Dr. Jochen Liske, Hamburger Sternwarte der Universität Hamburg/ DFG Forschung