Derzeit versuchen die Heidelberger Forscher, einen geeigneten Farbstoff so geschickt im Virusinneren zu positionieren, dass sich seine Verteilung im Zuge der Virusreifung ändert. Dann könnten sie den Zeitverlauf des Reifungsprozesses mit hochauflösender Fluoreszenzmikroskopie verfolgen. Daneben entwickeln sie auch Markierungsstrategien, die den Reifungsprozess durch eine Farbänderung anzeigen sollen.
Schnappschüsse mit dem Elektronenstrahl
Wenn wir die strukturellen Umlagerungen im Detail charakterisieren wollen, geht es allerdings nach wie vor nicht ohne Elektronenmikroskop. Da das nur Momentaufnahmen liefert, brauchen wir eine Methode, mit der wir den Start der Reifung genau definieren können. Gemeinsam mit dem Labor von Jan Konvalinka von der Karls-Universität in Prag arbeiten die Heidelberger Forscher derzeit an einem chemischen Schalter, mit dem sich die HIV-Reifung schnell und gezielt auslösen lässt.
Aus einer Serie von Momentaufnahmen – in kurzen Abständen nach dem „Startschuss“ aufgenommen – könnte dann sogar ein Film werden, der im molekularen Detail zeigt, wie ein infektiöses HI-Virus entsteht.
Virenforschung geht nur ganzheitlich
Wie aus diesem Überblick deutlich wird, lassen sich die Vorgänge im Lebenszyklus von HIV nicht allein mit traditionellen virologischen oder biochemischen Methoden aufklären. Unsere Forschung profitiert deshalb von der engen Zusammenarbeit mit Strukturbiologen, Chemikern, Physikern, Spezialisten für die Bildauswertung und Bioinformatikern.
Darüber hinaus existiert ein Virus ja nicht als eigenständige Einheit, sondern nur gemeinsam mit seinem Wirtsorganismus. Ein wirkliches Verständnis lässt sich daher nur erreichen, wird die genaue Sicht aufs Detail in größere Zusammenhänge integriert. Das Zusammenführen von Erkenntnissen, die sich aus dem „Einzoomen“ ins Kleinste und aus dem „Auszoomen“ auf komplexe Gesamtsysteme ergeben, ist das Ziel des neuen Sonderforschungsbereichs SFB 1129 der Universität Heidelberg, an dem auch unsere Arbeitsgruppe beteiligt ist.
Barbara Müller, Universitätsklinikum Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 09.01.2015