Joseph von Fraunhofer hat sich in der Wissenschaft verewigt: Die von ihm entdeckten Absorptionslinien im Spektrum des Sonnenlichts tragen ebenso seinen Namen wie zahlreiche Forschungsinstitute. Denn aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen ist er zum Namenspatron der Fraunhofer-Gesellschaft gewählt worden – einer der größten Organisationen auf dem Gebiet der angewandten Forschung in Europa.
Doch diese Laufbahn ist ihm nicht in die Wiege gelegt. Im Gegenteil: Joseph von Fraunhofer erblickt am 6. März 1787 als elftes Kind einer einfachen Glaserfamilie im bayerischen Straubing das Licht der Welt. Es ist der Start in eine Kindheit, die von Schicksalsschlägen geprägt ist. Als Fraunhofer gerade einmal zehn Jahre alt ist, verliert er seine Mutter – und nur kurze Zeit darauf verstirbt auch sein Vater.
Ausbildung beim Spiegelmacher
Die Vormundschaft für die verwaisten Geschwister übernehmen von nun an Straubinger Handwerksmeister. Sie schicken Fraunhofer zunächst zu einem Drechslermeister in die Lehre. Schon bald aber stellt sich heraus, dass der Junge dieser körperlich schweren Tätigkeit nicht gewachsen ist. Plan B ist die Ausbildung zum Spiegelschleifer, die der Zwölfjährige bei dem Münchner Hofspiegelmacher Anton Weichselberger beginnt.
Doch an der neuen Ausbildungsstätte lässt der nächste Schicksalsschlag nicht lange auf sich warten: Am 21. Juli 1801 stürzt das Haus von Fraunhofers Lehrmeister in der Nähe der Frauenkirche in München ein. Es begräbt auch den Lehrling unter sich. Wie ein Wunder kann der damals 14-Jährige aber nach Stunden aus den Trümmern des Hauses geborgen werden – unverletzt.
Glück im Unglück
Rückblickend markiert dieses Unglück den entscheidenden Wendepunkt in Fraunhofers Leben. Durch den tragischen Vorfall nämlich wird er schlagartig stadtbekannt und kommt mit seinen wichtigsten Förderern in Kontakt: dem Kurfürsten Max Joseph und dem Unternehmer Joseph von Utzschneider. Beide Männer eilen sofort zur Unglücksstelle, als sie vom Einsturz des Hofspiegelmacher-Hauses und der wundersamen Rettung des Jungen erfahren.
Fortan finanzieren der Kurfürst und der Unternehmer die Ausbildung Fraunhofers. Sie ermöglichen ihm, was in der Obhut des Hofspiegelmachers undenkbar war: Fraunhofer beendet nicht nur vorzeitig seine Lehre und wird in der Kunst des Linsenschleifens unterrichtet. Er besucht auch die Sonntagsschule, studiert optische und mathematische Fachliteratur und wagt sich damit in akademische Gefilde vor.
Berufsstart in der Glashütte
Schnell zeichnet sich dabei ab, dass Fraunhofer ein zielstrebiger und begabter junger Mann ist, der sich durch Autodidaktik immer wieder erstaunliche Fähigkeiten aneignet. 1806 wird er daher an die Werkstatt des renommierten Erfinders und Konstrukteurs Georg von Reichenbach empfohlen, einen Betrieb, an dem Utzschneider mitbeteiligt ist.
Am „Mathematisch-Feinmechanischen Institut“ wird Fraunhofer als Optiker angestellt und bereits im Alter von 22 Jahren zum verantwortlichen Leiter der zur Firma gehörenden Glashütte in Benediktbeuern ernannt. In dieser Funktion wird er die Produktion in den kommenden Jahren entscheidend voranbringen. Benediktbeuern wird schon bald zum Synonym für optische Linsen von außerordentlicher Qualität – und Fraunhofer eilt mehr und mehr der Ruf als Ausnahme-Praktiker und -Wissenschaftler voraus.
Daniela Albat
Stand: 09.11.2018