Blickt man nachts zum Sternenhimmel, so sieht man nur einen Teil des von den Sternen ausgestrahlten Lichtes. Der Rest wird vom interstellaren Staub absorbiert. Aber woraus besteht eigentlich dieser Sternenstaub? Diese Frage beschäftigte auch die Arbeitsgruppe des Astrophysikers Wolfgang Krätschmer vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik. Gefunden haben sie dann aber etwas ganz anderes.
Die Heidelberger Wissenschaftler brachten zwei angespitzte Graphitstäbe in einer Kohlenstoff-Aufdampfanlage miteinander in Kontakt und schickten starken elektrischen Strom hindurch. Auf diese Weise entstand Kohlenstoffdampf, der zu Ruß auskondensierte. Das Spektrum von Ruß ist dem des interstellaren Staubes ähnlich, daher hofften die Forscher auf neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Staubes. Leider vergeblich. Stattdessen entdeckten sie merkwürdige Absorptionslinien im UV-Bereich des Spektrums, die nicht von Graphit stammen konnten. Da sie keine weitere Erklärung fanden, schoben sie den Effekt auf eine Verunreinigung. Ohne es zu wissen, hatten sie damit den Nobelpreis verspielt.
1985, knapp drei Jahre später, beschäftigten sich die amerikanischen Forscher Harold Kroto von der Universität Sussex, sowie Robert Curl und Richard Smalley von der Rice Universität in Texas ebenfalls mit dem Staub im Weltraum. Statt mit elektrischem Strom verdampften sie das Graphit mit Lasern und auch sie entdeckten seltsame Formen. Im Massenspektrum fanden sie erstaunlich viele Moleküle, die aus genau 60 Kohlenstoffatomen aufgebaut waren. Die Wissenschaftler waren sich bald einig, dass diese genaue Wiederholung von jeweils 60 Atomen nur auf eine runde, geschlossene käfigförmige Struktur zurückzuführen sei. Die Struktur müsste theoretisch aus Fünf- und Sechsecken bestehen, um eine Kugelform zu bilden, eine Art molekularer Fußball. In Anlehnung an die geodätischen Kuppelbauten des Architekten Buckminster Fuller nannte man dieses neue Molekül Buckminsterfulleren.
Da die Ausbeute an Fulleren mit dem Laser-Verfahren sehr gering war, konnten Curl, Rice und Smalley nicht genügend davon herstellen, um die vorhergesagte Struktur auch wirklich beweisen zu können. Dennoch veröffentlichten sie ihre Ergebnisse und Theorien hinsichtlich der Struktur 1985 in der Zeitschrift „Nature“. Bis dahin waren Graphit und Diamant die beiden einzigen bekannten Existenzformen des Kohlenstoffs gewesen.
Diesen Artikel lasen auch Krätschmer und sein Kollege Donald Huffmann in Heidelberg. Zum ersten Mal begannen sie zu ahnen, dass die „Verschmutzung“, die ihre Mess-Ergebnisse beeinträchtigt hatte, doch auf ein anderes Phänomen zurückzuführen war. 1988 analysierten die Heidelberger das Infrarot-Spektrum der Rußteilchen – die Werte entsprachen genau den theoretisch vorhergesagten Werten für das Fulleren-Molekül. Aber Krätschmer und Huffmann waren vorsichtig. Erst nachdem das Fulleren durch Sublimation (also dem Übergang vom gasförmigen in den festen Zustand) gewonnen werden konnte, veröffentlichten sie ihre Ergebnisse. Kurz darauf bestätigten die Texaner ihre Ergebnisse. Der Gruppe um Krätschmer war es tatsächlich schon vor Jahren unbeabsichtigt gelungen, große Mengen des Fullerens herzustellen. Diese einfache, durch Zufall entdeckte Methode, machte eine weitere Erforschung der Fußball-Moleküle möglich.
1996 erhielten Richard Smalley, Robert Curl und Sir Harold Kroto für ihre Entdeckung den Nobelpreis. Wolfgang Krätschmer und Donald Huffmann gingen leer aus.
Die Fullerene besitzen eine große Zahl von Anwendungsmöglichkeiten. Durch ihre späte Entdeckung werden zahlreiche der möglichen Einsatzbereiche bereits von anderen Materialien ausgefüllt. Trotzdem haben die runden Moleküle das Potential, in verschiedenen Gebieten von Nutzen zu sein. Unter anderem erhoffen sich Wisenschaftler von den Fullerenen eine wirksame Bekämpfungsmethode gegen Aids. Durch seinen hydrophoben Charakter wäre das 60-Kohlenstoff-Molekül theoretisch in der Lage, das HI-Virus durch starke van der Waals-Bindungen abzufangen und damit unschädlich zu machen.
Zudem gibt es Ansätze, die Fullerene als Halbleiter zu nutzen. Im Gegensatz zu anderen Molekülen können sich hier die Ladungsträger in alle drei Dimensionen bewegen. Außerdem vermuten Forscher, dass sich Supraleiter herstellen lassen könnten, die auch an der Luft stabil sind. Weitere Anwendungsmöglichkeiten der Moleküle liegen in der Photovoltaik, Diamantenzucht oder der Herstellung neuer, extrem stabiler Materialien.
Stand: 30.05.2000