Heilbar ist Rheuma bisher nicht. Die Erkrankung begleitet die Betroffenen nach der Diagnose daher den Rest ihres Lebens. Doch die meisten Krankheitsbilder sind inzwischen gut behandelbar. Wird die Entzündung früh genug erkannt, kann sie gestoppt oder zumindest eingedämmt werden. „Je früher eine spezifische Therapie bei entzündlichem Rheuma beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Erkrankung mildert, ihren Verlauf verlangsamt oder im günstigsten Fall zum Stillstand bringt“, erklärt Rotraut Schmale-Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga.
Operationen sind nicht die erste Wahl
Um die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zu erhalten, gibt es aufwendige Therapien bestehend aus Medikamenten, Krankengymnastik, Reha, Ergotherapie und – wenn die Schäden zu groß sind – OPs. Dabei werden die Vernarbungen entfernt oder die Gelenke ganz ausgetauscht. Operationen lindern die Schmerzen jedoch nicht immer. Bei der Kniearthrose ist sogar bewiesen, dass die OP nur einen Placebo-Effekt hat.
Wirksamer sind dagegen nicht-invasive Behandlungen. „Der frühe und kombinierte Einsatz verschiedener therapeutischer Methoden ermöglicht den meisten Menschen, die an Rheuma erkrankt sind, ein normales Leben zu führen“, so die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Um die Schmerzen zu lindern, kann auch Akupunktur helfen, etwa bei Arthrose oder Fibromyalgie. Die Technik mildert die Beschwerden jedoch nur vorübergehend und ersetzt Schmerz- und andere Medikamente nicht, wie Studien ergaben.
Ohne Medikamente geht meist nichts
Typischerweise werden zur Behandlung der Rheumaherde entzündungshemmende Medikamente sowie Immunsuppressiva eingesetzt. Das können Cortison-Präparate oder spezielle Wirkstoffe sein, die bestimmte überschießende oder fehlerhafte Funktionen des Immunsystems dämpfen.
Auch Cannabinoid-Medikamente, die Wirkstoffe aus der Hanfpflanze Cannabis enthalten, können einigen Rheuma-Patienten helfen. Sie lindern nachweislich die Schmerzen. Ob sie aber auch die zugrundeliegende Entzündung bekämpfen, ist bislang nicht eindeutig geklärt.
Neue Therapieansätze
Allerdings können die gängigen Medikamente und die eher als Notnagel verschriebenen Cannabis-Präparate auch schwere psychische und körperliche Nebenwirkungen haben. Forschende suchen daher stetig nach neuen, besseren Angriffspunkten, Wirkstoffen und Therapieansätzen bei Rheuma (doi: 10.1021/acs.orglett.3c03877).
Ein Ansatz ist dabei, die bestehenden Medikamente mithilfe von Nanopartikeln gezielter an den Ort des Geschehens zu transportieren, in die Gelenke. Dort können die Präparate dann ihre Wirkung gezielter und effektiver entfalten, wie erste Versuche ergaben. Als Fähre dienen dabei spezielle Moleküle oder sogenannte Exosomen (doi: 10.1186/s40824-023-00418-2), die dank ihrer Struktur besonders gut an Knorpelgewebe binden. „Wir haben damit nun einen Weg gefunden, direkt zu den geschädigten Zellen vorzudringen und dort unterschiedliche Therapeutika einzusetzen“, sagt Paula Hammond vom Massachusetts Institute of Technology.
Das Immunsystem zur Rheuma-Therapie nutzen
Neuere Methoden verzichten sogar ganz auf pharmazeutische Substanzen und setzen bei der Behandlung von Rheuma stattdessen auf Komponenten des Immunsystems. So haben Forschende beispielsweise vor einigen Jahren herausgefunden, dass die sogenannten Exosomen die Schmerzen und Entzündungen bei rheumatischen Erkrankungen abschwächen können. Diese winzigen Nanopartikel, die von weißen Blutkörperchen produziert werden, sind nur etwa 100 Nanometer groß und sorgen im Immunsystem dafür, dass dieses zwischen fremd und körpereigen unterscheidet.
Die Exosomen können jedoch auch im Labor isoliert und gezielt in das rheumatische Gelenk gespritzt werden, wodurch dessen Entzündung abklingt, wie Studien belegen. „In der klinischen Anwendung hat sich die Rheumatherapie mit Exosomen als machbar und sicher erwiesen. In bestimmten Fällen kann sie als sehr wirksame Therapie eingesetzt werden“, sagt Peter Wehling vom Zentrum für Molekulare Orthopädie Düsseldorf.
Die Wirkung hält allerdings nur einige Monate an, dann muss die Behandlung wiederholt werden. Das gilt auch für einen ähnlichen immunologischen Ansatz, bei dem gentechnisch modifizierte oder gespendete natürliche Antikörper ins Blut der Betroffenen injiziert werden (doi: 10.1016/j.immuni.2023.02.019). Einige dieser Antikörper richten sich pauschal gegen alle B-Zellen, andere konkret gegen knorpelschädigende Monozyten des Immunsystems. In beiden Fällen reduzieren die Immunglobuline erfolgreich die Gelenkschäden.
Hilfe aus der Krebstherapie
Eine andere Rheuma-Therapie ist noch spezifischer: So können Patienten heute individuell modifizierte T-Zellen verabreicht werden, die ausschließlich jene überschießenden B-Zell-Reaktionen ausschalten, die der Erkrankung zugrunde liegen. Dieses Verfahren wird CAR-T-Therapie genannt und schon länger zur Behandlung einiger Krebsarten eingesetzt.
Doch erste Studien bei der Rheuma-Form des systemischen Lupus erythematodes legen nahe, dass diese T-Zell-basierte Immuntherapie auch bei einigen Rheuma-Krankheiten funktioniert. „Das Besondere dabei ist, dass eine einmalige Infusion von CAR-T-Zellen das Kartenhaus aus Entzündung und Autoimmunität zum Einsturz brachte und die Patienten alle anderen Therapien absetzen konnten“, betont Georg Schett von der Universität Erlangen-Nürnberg.