Ökologie

Von Bienen und Orchideen

Sexuelle Täuschung bei der Bestäubung

Die Blüte der Orchideenart Ophrys insectifera (Fliegenragwurz), die eine weibliche Wespe sowohl visuell als auch chemisch nachahmt, um Wespenmännchen zur Bestäubung zu verführen (Zeichnung). Die Blüte imitiert das Weibchen derart perfekt, dass das Männchen versucht, sich mit ihr zu paaren. Auf diese Weise kommt sein Kopf mit der klebrigen Pollenmasse in Kontakt und der Pollen wird auf die nächste Blüte übertragen © Max-Planck-Institut für chemische Ökologie/Hansson

Ein Insektenmännchen kann es sich nicht leisten, auch nur eine Gelegenheit zur Paarung zu verpassen, denn es möchte sein Genom ebenso erfolgreich fortpflanzen wie seine Mitbewerber. Ein Insektenleben ist kurz und vor allem – die Gelegenheiten sind selten. Die starke Anziehungskraft des männlichen Insekts hin zur Sexualpartnerin ist deshalb eine perfekte Zielvorgabe für Pflanzen, entsprechende „Bestäubungssysteme“ zu entwickeln. Von den Pflanzen, die eine sexuelle Mimikry entwickelt haben, sind vor allem die Orchideen bekannt.

Blume produziert Sexuallockstoff

Das erste System, das sowohl auf chemischer als auch verhaltensbiologischer Ebene untersucht wurde, ist die Wechselwirkung zwischen der Orchideenart Ophrys sphegodes (Spinnenragwurz) und Sandbienen der Gattung Andrena. In verschiedenen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Orchidee tatsächlich das aus einem Gemisch verschiedener Substanzen bestehende Sexualpheromon eines Bienenweibchens imitiert, und zwar so perfekt, dass das Männchen sogar versucht, mit der Blüte zu kopulieren, und so die Pollenmasse garantiert an seinem Körper kleben bleibt.

Das Pheromongemisch besteht aus etwa zehn verschiedenen Kohlenwasserstoffmolekülen, aber das Bestäubungssystem ist noch viel ausgeklügelter als zunächst angenommen. Eine weibliche Biene paart sich nämlich nur ein einziges Mal mit einem Männchen. Jedes Weibchen besitzt einen individuellen Geruch, der sich von dem der anderen Weibchen minimal, nämlich je nach Mengenverhältnis der flüchtigen Kohlenwasserstoffmoleküle, unterscheidet. Um keine Zeit damit zu vergeuden, ein Weibchen zu umwerben, mit dem es sich bereits gepaart hat, merkt sich das Männchen die Duftsignaturen seiner bereits eroberten Partnerinnen.

Foto der Spinnenragwurz-Blüte © CC-by-sa 3.0

Variation sichert den Erfolg

Würden alle Blüten der betrügerischen Orchideen gleich riechen, würden die Männchen keine weitere Blüte aufsuchen, weil sie dort ein Weibchen vermuten würden, mit dem sie sich bereits gepaart haben. Die Blüten geben deshalb Duftbouquets ab, die sich voneinander unterscheiden, und zwar in einer Variationsbreite, die den voneinander abweichenden Lockstoffbouquets der Weibchen entspricht. Auf diese Weise wird das Männchen dazu verführt, von Blüte zu Blüte zu fliegen, und erst damit überträgt es den Pollen und sichert die Fortpflanzung und genetische Variabilität der Orchideenart.

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Bill Hansson / MPI für chemische Ökologie
Stand: 19.08.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Täuschende Schönheiten
Wie Pflanzen ihre Bestäuber-Insekten hereinlegen

Täuschen und Tricksen im Pflanzenreich
Wie Blüten gegen die Spielregeln der Bestäubung verstoßen

Von Bienen und Orchideen
Sexuelle Täuschung bei der Bestäubung

Weibchen im Visier
Wenn Pflanzen Brutstellen vortäuschen

Blütezeit und Duftstoff-Typen
Wie Pflanzen eine "falsche" Bestäubung verhindern

Faulende Bananen als Lieblingsduft
Das Geheimnis der Schwarzen Calla

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