Auch abseits von Zombies scheint uns Menschen die Furcht vor Untoten, die die Lebenden heimsuchen, zu bewegen. Schon vor tausenden von Jahren erzählte man sich in Südosteuropa Geschichten von bluttrinkenden Dämonen, heute als Vampire bekannt. Wie die Geschichte vom blassen Blutsauger mit Furcht vor Kruzifixen, Knoblauch und Tageslicht einst entstanden ist, bleibt allerdings rätselhaft.
Eine Theorie besagt, dass Menschen mit Porphyrien – Stoffwechselkrankheiten, die die Synthese des roten Blutfarbstoffs Häm beeinträchtigen – als Inspiration für den Vampir-Mythos gedient haben könnten. Genau wie die Vampire der Legenden müssen die Erkrankten häufig das Sonnenlicht meiden, weil sie sonst schwere Hautschäden erleiden. Und auch der Konsum einiger Lebensmittel – darunter Knoblauch – kann die Symptome der Betroffenen verschlimmern.
Zu allem Überfluss zählen zu den typischen Symptomen einer akuten Porphyrie bräunlich-rötlich verfärbte Zähne. Und Erkrankten soll früher sogar dazu geraten worden sein, Tierblut zu trinken, obwohl das nach heutigem Kenntnisstand nichts an ihrer Lage verbessert hätte. Stoffwechselkranke haben also durchaus einige Gemeinsamkeiten mit Vampiren. Aber ob es genug bekannte Fälle gab, um einen kompletten Mythos daraus zu spinnen, bleibt umstritten.
Riskante Blut-Diät
Echte Vampire gibt es aber durchaus – zumindest im Tierreich. Die in Südamerika heimischen Vampirfledermäuse (Desmodontinae) ernähren sich ausschließlich von Blut. Um an ihre Leibspeise zu gelangen, ritzen sie einen feinen Spalt in die Haut ihrer Opfer und bedienen sich dann am herauströpfelnden Blut. Da der Speichel der Vampirfledermäuse betäubend wirkt, bemerkt ihre Beute die unfreiwillige Blutspende häufig nicht einmal.
Sich ausschließlich von Blut zu ernähren, ist allerdings eine große Herausforderung für den Körper. Wir Menschen würden durch eine reine Blut-Diät einen gefährlichen Eisenüberschuss erleiden und gleichzeitig überlebenswichtige Vitamine und Kohlenhydrate vermissen. Vampirfledermäuse haben daher eine Reihe besonderer genetischer Anpassungen entwickelt. Sie ermöglichen es ihnen zum Beispiel, überschüssiges Eisen schnell wieder loszuwerden.
Ein Wesen aus Leichenteilen
Dass es heute so einen ausgeprägten Hype um Vampire gibt, haben wir auch Bram Stokers Roman „Dracula“ zu verdanken, der Ende des 19. Jahrhunderts erschien und unsere Vorstellung der blutsaugenden Untoten erheblich mitgeformt hat. Ein anderer Schauerroman, der bis heute Wellen schlägt, ist Mary Shelleys „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ aus dem Jahr 1818. Darin erschafft der junge Mediziner Victor Frankenstein ein Wesen aus Leichenteilen. Von der Gesellschaft und ihrem eigenen Schöpfer verstoßen, wendet sich die Gestalt schließlich dem Bösen zu.
Interessanterweise steckt in der Geschichte neben Lektionen über den Gottkomplex des Menschen auch einiges an wissenschaftlichem Denken. Denn zu Shelleys Zeiten diskutierten Gelehrte über das sogenannte „Lebensprinzip“: Was ist es, das uns lebendig macht? Für William Abernethy vom Royal College of Surgeons war das Leben eine Art „Funke“, der der körperlichen Hülle hinzugefügt werden muss, um ihr Leben einzuhauchen.
Auch in Shelleys Roman ist von einem „Funken des Seins“ die Rede, den Frankenstein dem leblosen Körper seiner Schöpfung einhaucht. Verfilmungen des Schauerromans nehmen den Begriff „Funken“ traditionellerweise sehr wörtlich und interpretieren ihn als Stromstoß oder sogar als Blitzeinschlag. Das ist vor dem Hintergrund der Zeit, in der Shelley lebte, tatsächlich gar nicht so weit hergeholt.
Denn Wissenschaftler versuchten damals, Tote wieder zum Leben zu erwecken, und zwar mithilfe der neu entdeckten Elektrizität. Anfangs waren es nur tote Frösche, deren Gliedmaßen man mit gezielten Stromstößen zum Zucken brachte, irgendwann dann die Leichen hingerichteter Krimineller. Sogar eine öffentliche Darbietung fand 1803 im Londoner Newgate-Gefängnis statt. Im „Newgate Calendar“, einer Sammlung von Verbrechergeschichten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, heißt es dazu:
„Die Kiefer des verstorbenen Verbrechers begannen zu zittern und die angrenzenden Muskeln waren schrecklich verformt, und ein Auge wurde tatsächlich geöffnet. Im weiteren Verlauf des Vorgangs wurde die rechte Hand angehoben und geballt, und die Beine und Oberschenkel wurden in Bewegung gesetzt.“
Was auf den ersten Blick surreal und geschmacklos klingen mag, ist mittlerweile aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken: und zwar in Form des Defibrillators. Das Gerät gibt mithilfe auf der Brust befestigter Elektroden Stromstöße ab, die im Falle eines plötzlichen Herzstillstands oder lebensbedrohlicher Rhythmusstörungen den natürlichen Herzrhythmus wiederherstellen.
Bei einem Hirntod, wie ihn der hingerichtete Verbrecher im Newgate-Gefängnis erlitten haben muss, bringt aber selbst der heftigste Stromstoß nichts mehr. Die elektrischen Impulse, mit denen der Tote in London behandelt wurde, haben lediglich seine noch intakten Muskeln stimuliert und sie so zum Zucken gebracht.