Hanna fühlt sich attraktiv, sie tanzt und flirtet heftig, als die Partygäste später in einen Club wechseln. Denn das Dopamin ist bei ihr in einem Gehirnbereich aktiv, der auch als Belohnungszentrum oder mesolimbisches System bekannt ist. Es ist lebenswichtig und sorgt mit dafür, dass wir in der Lage sind zu lernen. Essen, Trinken, Sex sind Stimuli, die das gleiche Gehirnareal aktivieren und können daher neben Substanzen, die es – wie Kokain – direkt aktivieren genauso süchtig machen. Haben wir Sex – wie Hanna in dieser Nacht – dann schüttet unser Gehirn Dopamin aus. So wird eine positive Erfahrung mit einer Freisetzung von Dopamin im Gehirn belohnt – das Gehirn erinnert sich später an das positive Gefühl. Wir wollen dieses Gefühl zurück und wiederholen die Handlung oder nehmen die Substanz erneut ein.
Dieser Mechanismus erklärt auch, warum wir nicht nur nach Substanzen süchtig werden können, die direkt auf den Neurotransmitter Dopamin in den Synapsen wirken: Bei einigen Menschen können auch bestimmte Verhaltensweisen das Belohnungssystem so beeinflussen, dass sie diese Handlungen und Aktivitäten geradezu zwanghaft wiederholen. Manche erleben beispielsweise beim Spielen eine solche Befriedigung, dass sie meinen, nicht mehr darauf verzichten zu können und alles daran setzen, möglichst oft dieses Glücksgefühl wieder zu erleben – sie werden spielsüchtig.
Überlebenswichtiger Mechanismus begünstigt die Abhängigkeit
Bei Tieren und auch bei unseren Vorfahren ist das Belohnungssystem deshalb so wichtig, weil positive Erfahrungen zum Beispiel bei der Nahrungssuche ebenfalls durch Dopamin-Ausschüttung belohnt werden. Hat ein Tier so eine ergiebige Nahrungsquelle gefunden, verbindet es bei der nächsten Begegnung mit einer ähnlich aussehenden Futterquelle oder einem mit ihr verbundenen Reiz bereits ein positives Gefühl. So kann das Tier erneut an der gleichen oder eine ähnlich aussehenden Stelle nach Futter suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es fündig wird und somit keine unnötige Energie vergeudet, ist hoch.
Was als raffinierte Überlebenshilfe funktioniert, kommt – so vermuten Forscher – auch der Suchtentstehung zu gute. Denn Hannas Gehirn verbindet jetzt das durch Dopamin ausgelöste Hochgefühl mit der Einnahme von Kokain. Diese Verbindung wird, je häufiger sie die Substanz später einnimmt, mehr und mehr gefestigt.
Es erklärt zudem, warum bestimmte Reize – wie etwa ein bestimmtes Lied oder das Betreten einer Kneipe – auch nach jahrelanger Abstinenz ehemals Süchtiger zu einem Rückfall führen können. Die Situation, in der dem Verlangen nachgegangen wurde, wird mit dem erlebten Hochgefühl verknüpft. Und zu dieser Situation gehören neben Drogen wie Kokain auch Sinneseindrücke, bestimmte Verhaltensweisen und sogar Personen, die in unserem Gehirn damit assoziiert wurden.
Kathrin Bernard
Stand: 22.02.2013