Unsere Erde, der „blaue Planet“, ist zu einem Großteil ständig mit Wasser bedeckt. Aktuell erheben sich nur etwa 30 Prozent als Festland über den Meeresspiegel. Aufgrund von Änderungen des Meeresspiegels sowie Hebung und Abtragung der Oberfläche hat der Anteil des Festlands in der Erdgeschichte immer wieder geschwankt.
Die Sache mit dem Meeresspiegel
Wenn Kontinente kollidieren und sich Gebirge erheben, nimmt die Landoberfläche zu. Werden diese Gebirge wiederum durch oberirdisch abfließendes Wasser über Jahrmillionen auf eine Höhe nahe Normalnull abgetragen, reichen geringe Anstiege des Meeresspiegels aus, um große Bereiche zu überfluten. Das war zum Beispiel vor 250 Millionen Jahren in Norddeutschland der Fall, als dort das sogenannte Zechsteinmeer entstand.
Der aktuelle Klimawandel lässt den Meeresspiegel erneut steigen und dadurch werden heute noch bewohnte Küstengebiete zukünftig von Meeren bedeckt sein. Wo und wie schnell das der Fall sein kann, wird mit Hilfe von Computermodellen errechnet. Die Prognosen der Modelle sind jedoch immer nur so gut wie die Informationen über die Landschaft, die das Modell abbilden soll. Um also möglichst korrekte Vorhersagen zu erhalten, müssen die mechanischen Eigenschaften der Erde bekannt sein – ein wichtiges Forschungsgebiet am GFZ.
Ein Gegengewicht zu aufstrebenden Gipfeln
Obwohl Gebirge wachsen und auch wieder verschwinden, geht die Forschung heute davon aus, dass tektonische Hebung und durch Wasser gesteuerte Abtragung über lange geologische
Zeiträume in einem dynamischen Gleichgewicht stehen. Das heißt aber nicht, dass die Architektur aller Landschaften gleich ist. Das Zusammenspiel von Niederschlagsmenge und Flussdynamik sind die entscheidenden architektonischen Werkzeuge.
Die Erosion nimmt mit der Niederschlagsintensität und der Neigung der Oberfläche zu. Deshalb können Gebirge nur solange wachsen und damit steiler werden, bis die tektonische Hebungsrate gleich der Erosionsrate ist. Mittels geochemischer Methoden lassen sich solche „natürlichen Erosionsraten“ über Jahrtausende bis Jahrmillionen bestimmen.
Diese Daten sind essenziell, um mathematische Gleichungen für Erosionsgesetze zu bestimmen und somit langfristige Prognosen zu ermöglichen, beispielsweise zur Beständigkeit von potenziellen Endlagerstätten. Derartige Arbeiten werden am GFZ in Gebieten mit möglichst unterschiedlichen Erosionsraten durchgeführt, unter anderem im Himalaya und an der chilenischen Küstenkordillere.
Landschaftsgestaltung verläuft vielfältig
Niederschlagswasser sucht sich seinen Weg in Flüsse über unterschiedliche (Um)wege und Zeitskalen. Die Verteilung und der Weg dorthin sind entscheidend für die Architektur und Stabilität von Hängen.
Wasser kann auf vier unterschiedlichen Wegen architektonisch wirksam werden: Als Schnee kann es im Gebirge Gletschereis bilden und mit langer zeitlicher Verzögerung als Schmelzwasser wieder ablaufen. Dabei setzt der langsam kriechende Gletscher enorme Erosionskräfte frei und an seiner Unterseite abfließendes Wasser kann das erodierte Material effektiv abtransportieren.
Flüssiger Niederschlag kann hingegen direkt an der Erdoberfläche in die Flüsse ablaufen. Bei starken oder langanhaltenden Niederschlägen können sich tiefe Erosionsrinnen bilden und sogar ganze Hänge destabilisiert werden. Niederschlag sickert ebenso in den Untergrund ein und kann als Zwischenabfluss durch die oberflächennahe, sogenannte ungesättigte Zone fließen.
Auf seinem Weg nahe der Oberfläche fördern im Wasser gelöste Säuren die Verwitterung des Gesteins und die Auswaschung leicht löslicher Minerale. Dieser Mechanismus der chemischen Verwitterung ist ein wichtiger Prozess im weltweiten Kreislauf von Nährstoffen.
Gefährliche Hänge
Als Grundwasser im tiefen Untergrund spielt Wasser nicht nur eine zentrale Rolle für die Wasserversorgung der Umwelt, sondern auch für die Stabilität von Hängen. Grundwasser erhöht den Porendruck und agiert auch oft als Schmiermittel. Es destabilisiert so Spalten oder Schichtflächen
und führt zu einer Verringerung der Standfestigkeit von Hängen und Felswänden.
Halten diese Prozesse lange an, können sich ganze Hänge talabwärts bewegen – langsam oder aber in katastrophalen, plötzlich ablaufenden Ereignissen mit zerstörerischem Ausmaß. Diese vier unterschiedlichen Pfade des Wassers führen also zu sehr unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Landschaft zu formen.
Auf dem Weg zum Frühwarnsystem
Gleichzeitig bedingen die Landschaftsform und die Gesteinseigenschaften aber auch, wie sich Wasser in der Umwelt verteilt und welchen Pfad es nehmen kann. Dadurch entstehen komplizierte Rückkopplungseffekte, die sich häufig nur durch chemische Tracer, physikalische Modelle, seismische Überwachung und computergestützte Fernerkundung auf unterschiedlichen Skalen aufschlüsseln lassen.
Am GFZ untersuchen Wissenschaftler mit vielen unterschiedlichen Methoden das Zusammenspiel zwischen den Fließpfaden des Wassers und Erosionsprozessen bis hin zur Bestimmung der Gefahrenlage und der Entwicklung von Frühwarnsystemen für besonders gefährliche Prozesse. Dafür haben sie im Himalaya, den Alpen, den Anden und auch in Taiwan Messnetze und Observatorien eingerichtet, um die Rolle von Wasser in der Landschaft besser zu untersuchen und empirische Grundlagen für Vorhersagemodelle von Rückkopplungsprozessen zu liefern.