Die Anatomie ist die älteste Fachrichtung der Medizin und ihre Grundlage. Schon vor Jahrhunderten entstanden detaillierte Abbildungen des menschlichen Innenlebens, die in vielem bis heute Gültigkeit besitzen. Allerdings waren die Möglichkeiten der frühen Anatomen stark eingeschränkt: Ihnen fehlten die modernen bildgebenden und mikroskopischen Methoden, die heute ganz neue Einblicke in unseren Körper und seine Funktionen gewähren.

Die Urväter der Anatomie: Herophilos und Galen
Erste systematische Studien der Anatomie gehen auf die Antike zurück, insbesondere auf griechische Gelehrte wie Herophilos von Chalkedon. Dieser führte um 300 vor Christus in Alexandria die ersten wissenschaftlichen Sektionen an menschlichen Leichen durch und gilt als erster „Vater der Anatomie“. Herophilos beschrieb als erster Organe wie die Bauchspeicheldrüse, die Eileiter oder die Hirnhaut. Er erkannte zudem den Unterschied zwischen Arterien und Venen und vermuteten bereits, dass die Nerven der Leitung von Empfindungen dienen. Seine Lehrbücher, darunter auch ein Werk namens „Anatomie“ blieben jedoch nicht erhalten.
Bis in die Renaissance hinein prägten daher die Lehrbücher eines anderen antiken Mediziners die Anatomie: Galenus, auch als Galen bekannt, gilt bis heute als einer der bedeutendsten Ärzte des Altertums. Nachdem er sein Handwerk in Alexandria, dem Mekka der antiken Medizin, gelernt hatte, arbeitete er jahrzehntelang als Arzt für olympische Athleten, römische Gladiatoren und später sogar als Leibarzt römischer Kaiser.
Aus seinen Erfahrungen ging ein Lehrwerk hervor, das das physiologische, pharmakologische und anatomische Wissen der antiken Medizin zusammenfasste. Allerdings: Galens 15-bändige Anatomie beruhte zum großen Teil nicht auf der Sektion menschlicher Toter, sondern auf Studien an Schweinen, Affen oder Hunden. Dadurch hielt er beispielsweise auch beim Menschen eine zweigeteilte Gebärmutter für die Regel. Dennoch blieben Galens Lehren bis ins 16. Jahrhundert hinein das Maß aller medizinischen Dinge. Denn im Mittelalter war das Sezieren von Leichen verboten, so dass es kaum Möglichkeiten gab, Galens Irrtümer aufzuklären.