Ein Naturwald hilft dem Klima nur dann, wenn er wächst, wenn also die Masse an Holz – und damit an gebundenem Kohlenstoff – zunimmt. In älteren Wäldern, in denen der Holzvorrat nicht mehr steigt, ist die Kohlenstoffbilanz dagegen weitgehend ausgeglichen. Sobald Bäume sterben und ihr Holz verrottet, wird der gespeicherte Kohlenstoff wieder als CO2 freigesetzt.
Mehr noch: Der Wald kann sogar zu einer Kohlenstoffquelle werden, etwa wenn Trockenheit, Windwurf oder Schädlinge wie der Borkenkäfer der Vegetation zusetzen, wie es derzeit im Harz zu sehen ist. Dies hat auch eine Studie der University of Leeds ergeben. Danach geht die Fähigkeit, Kohlendioxid aufzunehmen, in ungestörten Tropenwäldern bereits seit den 1990er-Jahren zurück. Das Amazonasgebiet, so die Warnung der Wissenschaftler, könne Mitte der 2030er-Jahre sogar zur Kohlendioxidquelle werden.
Vom Baum zum Produkt
Im bewirtschafteten Wald gelten andere Gesetze: Hier gibt es keinen natürlichen Gleichgewichtszustand, denn es werden ständig Stämme entnommen. Daten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus dem Jahr 2014 zufolge wachsen in deutschen Wäldern, die zum größten Teil wirtschaftlich genutzt werden, pro Hektar jährlich gut elf Kubikmeter Holz heran. Nur ein kleiner Teil davon verrottet auf dem Waldboden, gut zwei Drittel des jährlichen Zuwachses dienen dem Menschen in vielfacher Weise.
Das Holz wird zu langlebigen Produkten wie Holzhäusern oder Möbeln verarbeitet, steckt in Gebrauchsartikeln wie Papier, Pappe oder Taschentüchern und sorgt in Form von Scheiten oder Pellets für wohlige Wärme. Was verfeuert wird, ersetzt fossile Brennstoffe. Denn ohne Holz würden viele Hausbesitzer zu Öl oder Kohle greifen. Aber auch ein großer Teil der langlebigen Produkte wird nach der Nutzung verbrannt und dient letztlich der Energiegewinnung.
Jeder Hektar spart zwei Tonnen CO2 – mindestens
In einem Anfang 2020 im Fachmagazin Global Change Biology – Bioenergy (GCBB) veröffentlichten Artikel bilanzierte ein Team um Ernst-Detlef Schulze die CO2-Ströme für deutsche Nutzwälder, soweit es die Daten zuließen, und kam zu dem Ergebnis, dass allein durch die Substitution fossiler Brennstoffe durch Holz jeder Hektar Wirtschaftswald zwischen 1,9 und 2,2 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einspart. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass das Holz tatsächlich Öl oder Kohle ersetzt. Sollte Deutschland seine Energie zu hundert Prozent regenerativ gewinnen, dann würde diese Rechnung nicht aufgehen.
Nicht alles Holz, das nachwächst, wird jedoch geerntet. Schulze geht davon aus, dass nur etwa zwei Drittel des Zuwachses dem Wald entnommen werden. Ein knappes Drittel bleibt also im Forst. Unter anderem wächst der Holzvorrat im Wald; jeder Hektar entzieht der Atmosphäre so jährlich ein bis zwei Tonnen Kohlendioxid, wie Schulze und sein Team ermittelt haben. Durch den Ersatz fossiler Brennstoffe und den Holzzuwachs ergibt sich im Mittel also eine Reduktion der CO2-Emissionen beziehungsweise der CO2-Konzentration von rund 3,5 Tonnen pro Hektar Wald.
Inzwischen hat eine Gruppe um Schulze auch quantifiziert, wie viel Treibhausgas der Atmosphäre erspart bleibt, wenn Produkte mit relativ geringem Energieaufwand aus Holz hergestellt werden und nicht aus Materialien, die einen höheren Energieaufwand erfordern, oder aus fossilen Rohstoffen – ein Haus aus Holz statt Beton oder Ziegeln ist dafür ein Beispiel. „Diesen Beitrag des Waldes zur Reduktion der CO2-Emissionen beziffern wir auf etwa 2,8 bis 4,9 Tonnen pro Hektar und Jahr“, sagt Schulze. Dieser Beitrag kommt zum Ersatz fossiler Brennstoffe und zum Holzzuwachs noch hinzu. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse bereiten Schulze und seine Kollegen derzeit vor.