Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – diese schmerzhafte Erkenntnis machte bereits Sir Isaac Newton um 1666, als er angeblich um die Mittagszeit unter einem Apfelbaum döste und ihm eine der reifen Früchte direkt aufs müde Haupt fiel.
Die Newton’sche Lebensweisheit ist jedoch nicht nur Menschen bekannt, auch Kühe wissen darum. Denn in guten Apfeljahren liefert ihnen die Schwerkraft vielerorts einen nicht unerheblichen Teil ihrer Nahrung.
Manche dieser angeblich so „dummen“ Kühe beschränken sich nicht nur auf das Fressen von Fallobst. Sie haben eine clevere Methode entwickelt, um auch an das noch auf dem Baum hängende Obst heranzukommen.
Den Kopf weit in den Nacken gelegt, angeln sie mit ausgefahrener Zunge nach den hoch hängenden Ästen. Haben sie erst einmal ein Blatt oder einen Trieb erwischt, schlingen die Kühe ihre Zunge fest darum – die tierische Apfelschüttelmaschine ist fertig. Mit heftigen Auf- und Abbewegungen des Kopfes zerren die Tiere solange an dem Ast bis die Früchte nach und nach auf den Boden purzeln. Anschließend wird die Beute gemächlich verputzt. Dann geht es weiter zum nächsten Ast am nächsten Baum.
Doch kann man dieses ergiebige und auf den ersten Blick wohl überlegte Verhalten der Kühe als intelligent bezeichnen? Oder steckt doch der Instinkt der Tiere dahinter und ein Zufallserfolg bei der Futtersuche nach dem Prinzip „trial-and-error“? Dass andere Kühe einer Herde anscheinend nicht in der Lage sind, das Verhalten des geschickten Rindes zu übernehmen und durch Imitation oder Nachahmung zu lernen, spricht nicht für eine besonders hohe Intelligenz…
Mehr als nur Sprechen können
Doch was ist eigentlich Intelligenz genau? Schon beim Menschen streiten die Experten darüber seit Jahrzehnten. Während manche Forscher von einem einzigen, besonderen Intelligenzfaktor ausgehen, sind sich die meisten anderen einig, dass Intelligenz aus einem Sammelsurium von Einzelfähigkeiten und Vorgängen entsteht. Dazu gehören unter anderem Kreativität, Abstraktionsvermögen, Verstehen von Zusammenhängen, aber auch Gedächtnis oder Bewegungsintelligenz.
Intelligenz zeigt sich nach Meinung vieler Wissenschaftler auch in der Fähigkeit des Menschen, sich bewusst auf neue Situationen oder Anforderungen der Umwelt zu reagieren und sich an neue Aufgaben und Bedingungen des Überlebens anzupassen.
Ergebnisse aus der Zwillingsforschung ergaben zudem, dass Intelligenz wohl auch in entscheidendem Umfang genetische Ursachen hat. Dazu gehören unter anderem eine erbliche bedingte höhere Zahl an Nervenzellen oder eine individuell schnellere Reiz- und Erregungsleitung.
Während man beim Menschen Intelligenz nicht nur beobachten, sondern auch mit IO-Tests messen kann, sind die Forscher bei Tieren bisher fast ausschließlich auf Verhaltenstudien angewiesen. Für die Entscheidung darüber wie „schlau“ oder „dumm“ ein Tier ist, gibt es demnach keine wirklich objektiven Kriterien. Entsprechend uneinig sind sich Kognitionsforscher darüber, was bei Tieren als intelligentes Verhalten zu bezeichnen ist und was nicht.
Für einige stellt schon allein der Gebrauch von Werkzeugen ein Zeichen für tierische Cleverness dar. Aber dann wäre jeder Otter der Muscheln mit einem Stein aufklopft intelligent. Andere Wissenschaftler fordern reflektiertes, vorausschauendes und planendes Handeln, Kultur, Lernen durch Beobachtung oder Nachahmung – oder sogar eine Kombination dieser Fähigkeiten und Fertigkeiten – um bei Tieren von echter Klugheit sprechen zu können.
Stand: 29.10.2004