Geologie/physische Geographie

Von Magmakammern und stabilen Schichten

Wie entstehen die Gasblasen im See?

Auch heute ist das Rätsel der Killerseen längst nicht endgültig gelöst. Trotz aller Forschungsprojekte in den letzten knapp 20 Jahren sind sich die Forscher beispielsweise noch nicht im Klaren darüber, was der letzte Auslösemechanismus für die beiden verheerenden Naturkatastrophen in Kamerun war. Geowissenschaftler, Biologen und Physiker haben aber im Laufe der Zeit viele Mosaiksteinchen zusammengesetzt und so mittlerweile ein ziemlich klares Bild von den Abläufen Mitte der 1980er Jahre erhalten. Entstanden ist dabei eine „CO2 Limnic Eruption Theory“, an der unter anderem auch Klaus Tietze von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe entscheidend beteiligt war.

Killersee Nyos © Michel Halbwachs

Damit ein See zu einem Killersee mutieren kann, so das Ergebnis der Forscher, muss er einige wichtige Voraussetzungen erfüllen. Zunächst einmal ist eine nahezu unerschöpfliche Gasquelle im Boden unter See nötig, die kontinuierlich für reichlich Nachschub an CO2 sorgt. Das allein reicht aber noch nicht aus. Der See muss darüber hinaus auch sehr tief sein und eine stabile Wärmeschichtung besitzen, bei der ein Wasseraustausch zwischen Oberflächenwasser und Tiefenwasser praktisch ausgeschlossen ist. Nur dann kann sich ein größeres Depot an Gasen am Grund des Sees ansammeln.

Laacher See in der Eifel

Warum ist das so? Der Laacher See in der Eifel zum Beispiel, dies haben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich herausgefunden, wird ähnlich wie die Kameruner Seen von zahlreichen kohlensäurehaltigen Quellen gespeist. Das Kohlendioxid stammt dabei in erster Linie aus einer langsam abkühlenden Magmakammer tief unter dem Gewässer. 3.000 Tonnen CO2 fallen jährlich an. Anders als Lake Nyos ist der bis zu 51 Meter tiefe Laacher See aber nur im Sommerhalbjahr thermisch geschichtet. Im Rest des Jahres erfolgt eine starke Durchmischung des Gewässers durch starke Winde oder andere natürliche Ursachen. Das CO2 wird so kontinuierlich an die Wasseroberfläche transportiert und dort in kleinen Portionen sicher in die Umgebungsluft abgegeben. Gefährliche Gasansammlungen am Grund des Sees können so gar nicht erst entstehen.

Perfekte Bedingungen für die Bildung von Gasblasen

An den drei Killerseen im tropischen Afrika jedoch herrschen ganz andere Bedingungen. Hier sind die Voraussetzungen für die Entstehung eines brisanten Gas-Wassergemisches so perfekt wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Dies liegt daran, dass die hohen Temperaturen und die enorme Sonneneinstrahlung in der Region für eine klare Trennung von warmem Oberflächen- und kaltem Tiefenwasser über das ganze Jahr hinweg sorgen. Mit 209 (Lake Nyos), 96 (Lake Monoun) und 1.423 Metern (Lake Kivu) sind die Seen zudem ziemlich tief. Dies und ihre geschützte Lage im Windschatten hoher Berge führen dazu, dass auch eine Durchmischung des Sees durch starke Stürme nahezu ausgeschlossen ist.

Woher aber kommt hier das Gas, das sich im Laufe der Zeit Grund der Seen ansammelt? Dafür haben die Forscher mittlerweile eine einleuchtendes Erklärung parat. Die Gewässer in Kamerun werden vorrangig mit CO2 gespeist, das aus der Gesteinsschmelze in einem alten, etwa 80 bis 90 Kilometer unter den Seen liegenden Reservoir stammt. Durch winzige Gesteinspalten bahnt es sich seinen Weg nach oben, bis es die grundwasserspeichernde Schichten erreicht und sich damit vermischt. Über zahlreiche kohlensäurehaltige Quellen am Seegrund bilden sich dann in jahrelanger „Kleinarbeit“ riesige Gasdepots.

Wie ein Korken auf einer Sektflasche

Die auflagernden Schichten relativ warmen, gasarmen Wassers, so konnten die Forscher nachweisen, wirken dabei wie ein Korken auf einer Sektflasche und halten das in den See einströmende CO2 in den unteren Wasserschichten gefangen. Die Zonen mit hoher Gaskonzentration beginnen am Lake Nyos bei etwa 150 Metern und im Lake Monoun etwa bei 60 Metern. Im Extremfall sind im Tiefenwasser bis zu zehn Liter Kohlendioxid in einem Liter Wasser gelöst.

Wenn sich das Gas wie in diesem Szenario langsam Schritt für Schritt ansammelt, warum sind die Seen dann aber gerade Mitte der 1980er Jahre zu Killerseen geworden?

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. weiter


Stand: 20.03.2003

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Killerseen
Gefahr aus der Tiefe

Mehr als nur Eine von Vielen?
Naturkatastrophe Killerseen

Heimlich, still und leise...
37 Tote am Lake Monoun

Kohlendioxid ist der Schlüssel
Gründe für den "lake overturn"

Tödliche Fracht
CO2 und Methan im Lake Kivu

Von Magmakammern und stabilen Schichten
Wie entstehen die Gasblasen im See?

Ein See wird "entkorkt"
Per Kettenreaktion in die Katastrophe

Rettung durch ein Rohrsystem
Lake Nyos wird entgast

Pumpe und Perpetuum mobile
Die Modellanlage am Lake Nyos

Keine Entwarnung für die Killerseen
Gefahr von Katastrophen noch nicht gebannt

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

keine Dossiers verknüpft