Die amerikanische Wissenschaftbehörde reagierte schon Ender der achtziger Jahren auf gehäufte Betrugsfälle mit der Einrichtung eines „Office for Research Integritiy“ (ORI) als zentraler Anlaufstelle für Meldungen über wissenschaftliches Fehlverhalten.
Seit seiner Gründung im Jahr 1989 wurden diesem staatlichen Büro bereits über 1500 Fälle von Plagiaten, Fälschungen oder anderen Unregelmäßigkeiten gemeldet. Zwar konnten bisher nur in 74 Fällen tatsächlich zweifelsfrei Verfehlungen nachgewiesen werden, die Erwischten trifft es dafür um so härter: abgesehen von der öffentlichen Anprangerung – die Namen und Verfehlungen der überführten Forscher werden für alle zugänglich ins Internet gestellt – werden ihnen auch keine öffentlichen Mittel mehr gewährt oder Auflagen für die weitere Arbeit gemacht.
In der deutschen Forschungslandschaft erscheint ein so radikales und öffentliches Vorgehen gegen schwarze Schafe undenkbar. Die Vertreter der großen Wissenschaftsorganisationen und Universitäten beschwören stattdessen noch immer die Kraft der „Selbstreinigung der Wissenschaft“. Wie auch der ehemalige DFG-Präsident Wolfgang Frühwald, glauben viele „dass kein wirklicher Betrug, kein wirkliches Plagiat, keine gravierende Fabrikation von Meß- oder Umfragedaten in der Wissenschaft längere Zeit unentdeckt bleiben. Zu eng sind sich die Arbeitsgruppen auf den Fersen, die Konkurrenz ist misstrauisch und wachsam“.
Doch gerade der zunehmnde Konkurrenzdruck erweist sich im heutigen Wissenschaftbetrieb weniger als Kontrollinstanz denn als einer der treibenden Kräfte in Betrugsfällen. Angesichts immer knapper werdender Finanzen bedeutet jede Publikation einen Vorsprung im Kampf um die dringend benötigten Forschungsgelder. Die Versuchung, sich diese auch mit unlauteren Mitteln zu erwirtschaften, liegt allzu nahe.
Als wirksame Werkzeuge der Selbstkontrolle galten bisher vor allem die Regel der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen und das Gutachtersystem der renommierten Fachzeitschriften. Da jedes Experiment, jedes Ergebnis einer Arbeitsgruppe oder eines Forschers ständig von anderen Wssenschaftlern nachvollzogen würde, könne kein Betrug auf lange Sicht unentdeckt bleiben, lautet das Credo vieler Wissenschaftsphilosophen und Soziologen.
Doch in der Praxis sieht es in der Regel anders aus: kaum ein Wissenschaftler reproduziert tatsächlich fremde Experimente. Zum einen sind die Methodenteile der meisten Veröffentlichungen unvollständig, zum anderen fehlen den Forschern oft die finanziellen Mittel zur Wiederholung der oft aufwendigen und kostenintensiven Versuche. In einer Umfrage zeigte sich, daß kein Einziger der Befragten jemals ein fremdes Experiment nachvollzogen hatte, meist wurden die Ergebnisse ungeprüft übernommen.
Ähnlich unzureichend erweist sich auch das Gutachtersystem der „Peer Review“ – ein Prinzip, nach dem jede zur Veröffentlichung eingereichte Publikation von anderen Wissenschaftlern des gleichen Forschungszweiges auf seine Richtigkeit und Plausibilität geprüft wird, ehe sie zu Veröffentlichung zugelassen wird. Immer wieder müssen Publikationen wegen Betrugs oder Maniulationen zurückgezogen werden, nachdem sie das Gutachtersystem bereits ohne Beanstandungen durchlaufen hatten. „Wenn jemand fälscht, dann hast du keine Möglichkeit, das zu erkennen“, sagt dazu der Botaniker Anthony J. Trewavas von der Universität Edinburgh. Er selbst hatte für die Zeitschrift „Nature“ eine der Arbeiten der inzwischen des Betrugs überführten Arbeitsgruppe am Kölner MPI begutachtet und keinerlei Verdacht geschöpft.
Stand: 13.02.2000