Basel im Jahr 1577. Der Mediziner Felix Platter staunt nicht schlecht als man ihm die Funde vorlegt, die nahe dem Kloster Reiden im Wiggertal bei Luzern aus dem Boden geholt worden sind. Doch schnell hat er eine Erklärung für die rätselhaften, monströsen Knochen parat. Seiner Meinung nach gehören sie zu einem bis zu sechs Meter großen Riesen, der vermutlich irgendwann einmal die Region in Angst und Schrecken versetzt hat.
Erst mehr als zweihundert Jahre später, im Jahr 1799, wird aus dem „Riesen aus Reiden“, wissenschaftlich als Helvetus gigas bezeichnet, ein Mammuthus primigenius, ein Wollmammut. Der deutsche Naturforscher Johann Friedrich Blumenbach ist es, der die wahre Natur der riesigen Knochen aus der Schweiz und von anderen Fundorten erkennt. Er hält sie für Überreste eines „eiszeitlichen Elefanten“, dem er den Namen wissenschaftlichen Elephas primigenius gibt.
Mit der Zeit stellen sich immer mehr Aufsehen erregende Funde von gewaltigen Skeletten oder Knochen, die man zunächst ebenfalls Fabelriesen zugeordnet hatte, als Überbleibsel der Eiszeitgiganten heraus. Im Jahr 1890, als in der Schweiz eine neue Eisenbahnlinie gebaut wird, weiß man schon einiges über die Tiere. Dennoch sorgt eine neue Entdeckung nahe dem Städtchen Niederweningen im Kanton Zürich für Aufsehen bei Wissenschaftlern und in der Öffentlichkeit.
Fundort gleich Todesstelle?
In einer Kiesgrube sind die Arbeiter beim Angraben einer tieferliegenden Torfschicht auf Knochen und Zähne gestoßen, die offensichtlich zu einem Mammut gehören. Eilig herbeigerufene Wissenschaftler finden zwischen den Überresten von Moosen, Hölzern und Käfern weit über 100 Skeletteile, die sich bei näherer Analyse als Relikte von insgesamt sieben Mammuts, darunter ein gerade mal zwei Monate altes Kalb, herausstellen.
Die Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich „basteln“ daraus noch im 19. Jahrhundert eine Rekonstruktion, die zwar sehr plastisch aber nicht ohne Fehler ist. So stammen die verwendeten Knochen von mindestens fünf verschiedenen Mammuts und die mehrere Meter langen Stoßzähne sind seitenverkehrt eingesetzt.
Mittlerweile haben Wissenschaftler das Alter der eidgenössischen Mammutskelette enträtselt. Radiokarbondatierungen (C-14-Methode) und andere Methoden zur Bestimmung des Knochenalters offenbarten, dass die Mammuts möglicherweise vor rund 45.000 Jahren genau an dieser Stelle verendet sind.
Doch längst nicht immer wie hier in der Schweiz ist Fundort gleich Todesstelle. „…Mammuts waren Weidetiere, die über das Grasland zogen, wo sich die Gletscher gerade zurückgezogen hatten. Sie lebten und starben auf freier Fläche, und ihre Überreste verteilten sich“, meint der Paläontologe Jeffrey Saunders, Kurator für Geologie am Staatsmuseum in Springfield, Illinois im Wissenschaftsmagazin nano auf 3sat. Und weiter: „Flüsse brachten ihre Zähne und Knochen häufig in Feuchtgebiete und Kiesgruben.“
Stand: 27.01.2006