Das Heulen des einsamen Wolfes durchdringt Mark und Bein. Es weckt Gedanken an Vollmondnächte, einsame Herzen und melancholische Einzelgänger. Doch der Wolf ist nicht immer einsam – auch wenn sein Jagdgebiet riesig groß ist.
In Europa beträgt die Fläche eines Territoriums etwa 300 Quadratkilometer. Es muss groß genug sein, um den Appetit von bis zu acht Wölfen stillen zu können. Jedes der Tiere frisst etwa drei Kilo am Tag, was für ein Rudel ungefähr ein Reh täglich bedeutet. Je mehr Beutetiere auf engerem Raum leben, desto kleiner ist das Jagdrevier der Wölfe. In den vereisten Regionen Alaskas durchstreifen sie daher ein Territorium von bis zu 1.000 Quadratkilometern, um genügend Nahrung zu finden.
Das Rudel
Hat ein Wolf eine Partnerin gefunden, suchen sie sich ein gemeinsames, neues „Zuhause“. Bekommen die Wölfe hier ihren ersten Nachwuchs, gründen sie nicht nur eine Familie, es ist der Anfang eines Rudels. Nur selten kommt es vor, dass ein fremdes Einzeltier in ein solches Rudel integriert wird, meist sind alle Tiere der Gruppe miteinander verwandt. In Europa und Mittelamerika besteht daher ein Rudel aus fünf bis acht Tieren. In Kanada und Alaska wurden auch schon Verbände von 30 Tieren gesichtet. Die Wolfsforscher sind sich unsicher, ob solche Rudel nur aus Familienmitgliedern bestehen oder auch fremde Wölfe integriert werden.
Die gemeinsame Jagd ist die größte Stärke eines Wolfsrudels. Gehen die Eltern am Anfang noch einzeln auf die Jagd, konzentrieren sie sich meistens auf kleinere Tiere wie Hasen und Füchse. Als Rudel bieten sich ihnen jedoch weit mehr Möglichkeiten. In der Gruppe verfolgen sie große Huftiere wie Hirsche, Rehe und Elche. Dabei leiten die erfahrenen Wölfe die Jagd und entscheiden über die richtige Taktik. Greift der Verband eine Herde an, wird zunächst ein Einzeltier isoliert. In offenem Gelände versuchen die Wölfe in einer kurzen und schnellen Hetzjagd die Beute zu stellen. Ein gezielter Biss in den Hals tötet das Opfer durch Schock und Erstickung.
Der schnelle und kräftige Elch dagegen, lässt sich nur in einer langen und ausdauernden Jagd erlegen. Tagelang hindern die Mitglieder des Wolfsrudels abwechselnd den Elch am Schlafen und Essen, bis er am Ende seiner Kräfte ist. Dann umzingeln sie die Beute und attackieren ihn von allen Seiten, bis er an seinen Verletzungen stirbt.
Das Leben im Rudel bietet soziale Sicherheit und damit eine größere Überlebenschance: Jagen die Wölfe gemeinsam, können sie auch größeres Wild wie Elche, Moschusochsen und Wisente erlegen. Auch erkrankte oder ältere Tiere bekommen dann etwas von der reichhaltigen Beute ab. Als Gegenleistung muss in der Familie jedes Tier seine Aufgabe erfüllen. Während einige auf die Kleinen aufpassen, gehen die anderen jagen oder beschützen den Bau. Die älteren Jungtiere lernen so bei der Jagd oder der Pflege der Welpen, wie sie später ihr eigenes Rudel führen.
Doch nicht nur klare Hierarchien und Aufgabenteilung festigen die Gemeinschaft. Die Harmonie in einem Wolfsrudel beruht auch auf der Fähigkeit der Tiere sich untereinander zu verständigen.
Heul doch!
Das Heulen der Wölfe erklingt meist zu Beginn der Nacht. Das gemeinsame Rufen festigt das Gruppengefühl des Rudels vor der Jagd und betont ihren Anspruch auf das Jagdgebiet. Für die Artgenossen ist es im Umkreis von nahezu 15 Kilometern zu hören. Sind Wölfe in der Nähe, antworten diese mit ihrem eigenen Heulen. Wenn sich nicht eine der beiden Gruppen zurückzieht, kann es darauf hin zu einem Kampf um das Territorium kommen.
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Einzeltiere heulen dagegen meist mit der Absicht eine Antwort zu bekommen. Ihr Ruf schallt lang gezogen durch die Nacht in der Hoffnung einen anderen einsamen Wolf zu finden. Durch das Heulen weiten sie ihre Partnersuche auf ein größeres Gebiet aus und stellen gleichzeitig fest, ob das Territorium, in dem sie sich befinden, schon von einem Rudel besiedelt ist oder ob sie vielleicht schon ein mögliches Zuhause gefunden haben.
Die Sprache der Wölfe geht jedoch weit über den Heulgesang hinaus. Bellen, Winseln und Knurren gehören ebenso zu ihren Lautäußerungen. Eine große Rolle spielt darüber hinaus ihre Körpersprache. Innerhalb eines Rudels kommunizieren die Wölfe vorwiegend mit ihrer Körperhaltung, der Bewegung und dem Gesichtsausdruck. Ist ein Wolf verunsichert, legt er die Ohren eng an, zieht die Lefzen leicht hoch und schätzt die Situation mit zusammengekniffenen Augen ein. Angriff oder Flucht, noch ist beides möglich. Ist der buschige Schwanz nach oben gerichtet, drückt er das Vertrauen eines Rudelmitglieds, oder aber die Selbstsicherheit eines Alphawolfes aus. Ist der Schwanz dagegen zwischen die Beine ganz rund gebogen und die Körperhaltung geduckt, unterwirft sich der Wolf.
Eine weitere Sprache der Wölfe sind die Duftstoffe. Mit Urin und Kot wird die Grenze des Territoriums für andere Wölfe markiert. Pheromone spielen dagegen vorwiegend bei der Partnerwahl eine Rolle. Wolfsforscher vermuten außerdem, dass die Pheromone wahrscheinlich auch dafür verantwortlich sind, dass Wölfe sich nie innerhalb ihres Rudels paaren. Inzucht kommt daher nur äußerst selten vor.
Hören Sie den Ruf des einsamen Wolfes:
Wolfsheulen (wav, 131 KB, Quelle: www.protectwolves.org)
Stand: 30.09.2005