Wer verliebt ist, hat Schmetterlinge im Bauch, und Angst sorgt für ein flaues Gefühl im Magen: Glaubt man dem Volksmund, ist unsere Gefühlswelt eng mit dem Bauchraum verknüpft. Doch wie viel Wahres steckt in diesen Redewendungen? Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen unseren Emotionen und dem, was im Verdauungstrakt passiert?
Für diese These spricht, dass der Vagusnerv den Bauchraum mit dem limbischen System verbindet – jener Funktionseinheit des Gehirns, die eine wichtige Rolle für die Generierung und Verarbeitung von Emotionen spielt. Und in der Tat deuten Experimente auf einen nicht unerheblichen Einfluss dieser Verbindung hin.
Von ängstlich zu furchtlos
So offenbaren etwa Untersuchungen mit Ratten: Durchtrennt man die für die Weiterleitung von Informationen aus dem Bauch in Richtung Kopf zuständigen Nervenstränge, verhalten sich die Tiere merkwürdig. Auf Situationen, die bei ihnen normalerweise Angst auslösen, reagieren die Nager ohne „Bauchgefühl“ plötzlich furchtlos. „Das Angstverhalten scheint deutlich durch Signale vom Bauch ans Gehirn beeinflusst zu werden“, erklärt Studienautor Urs Meyer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
Ähnliche Effekte lassen sich durch den Austausch der mikrobiellen Mitbewohner im Darm erzielen. Abhängig von der Zusammensetzung der Darmflora scheinen sich die Emotionen und sogar die Persönlichkeit von Mäusen und Ratten zu verändern, wie Experimente zeigen. Mit anderen Bakterien im Darm verhalten sich vormals eher zurückhaltende und ängstliche Tiere zum Beispiel aggressiver.
Stress wirkt auf den Darm
Doch gilt dieser faszinierende Zusammenhang auch beim Menschen? So eindeutig wie im Tierversuch lässt sich dies zwar nicht belegen. Beobachtungen zeigen aber, dass zum Beispiel Beschwerden wie das Reizdarmsyndrom häufig auch mit psychischen Symptomen wie Angstzuständen oder Depressionen einhergehen.
Dabei scheinen die Darmvorgänge nicht nur die Gefühlswelt zu beeinflussen – andersherum funktioniert es ebenso. So ist bekannt, dass die Symptomatik des Reizdarmsyndroms in Stresssituationen zunimmt und empfundener Stress bei Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen das Risiko für einen Krankheitsschub erhöht.
Gesunder Bauch dank Hypnose?
Mediziner versuchen längst, sich dieses komplexe Zusammenspiel zunutze zu machen. Sie setzen beispielsweise Hypnosetherapien ein, um über den Kopf den Bauch zu erreichen. Unter anderem bei Patienten mit Reizdarmsyndrom und Colitis ulcerosa kann dieser unkonventionelle Behandlungsansatz tatsächlich zum Erfolg führen, wie Studien belegen: Die gastrointestinalen Funktionen verändern sich positiv, die Betroffenen haben weniger Beschwerden.