Eine der immer wiederkehrenden Fragen in allen „Theorien der Erde“ war die Entstehung der Gebirge. Für die Theoretiker des 18. Jahrhunderts wie Buffon oder Leibniz waren sie urzeitliche Gebilde aus der Entstehungszeit der Erde. Für Hutton, den Verfechter der Feuertheorie, entstanden sie dagegen fortwährend neu. Sie waren Teile der Erdkruste, die durch unterirdische Verlagerung von Magma angehoben worden waren und erst später durch Verwitterung und Erosion ihr heutiges Gesicht erhielten.
Humboldt entdeckt das Muster der Gebirge
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt die bis dahin vorwiegend theoretische Diskussion durch die zunehmende Feldforschung neue Impulse. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand dabei die Frage, wie und warum die Gebirge der Erde so ungleichmäßig verteilt waren, und zu welcher Zeit sie entstanden sein könnten. Unter den Gelehrten, die sich mit diesen Problemen befassten, war auch der Forschungsreisende und Universalgelehrte Alexander von Humboldt.
Auf seiner Südamerikareise 1801 erforschte er nicht nur die Tier- und Pflanzenwelt dieses Kontinents. Er erkundete auch die Lage und Ausrichtung von Gebirgsketten und suchte dabei nach einem übergeordneten Muster, einer Analogie zwischen dem Verlauf von Küstenlinien und den Gebirgszügen in verschiedenen Ländern. Er entdeckte Anzeichen dafür, dass Gebirgszüge bevorzugt in bestimmte Richtungen verliefen und dass sie durch gewaltige, aus dem Erdinneren heraus wirkende Kräfte entstanden sein müssten.
Gebirge als Schrumpfungsfalten?
Basierend auf den Bobachtungen Humboldts und anderer Feldforscher entwickelte der Franzose Elie de Beaumont, Professor am Collège de France, eine Theorie zur Gebirgsbildung, die für weite Teile des 19. Jahrhunderts zum tonangebenden Paradigma werden sollte. Schon 1829 hatte de Beaumont festgestellt, dass die Gebirge nicht alle gleich alt waren, sondern es offenbar mehrere Hauptphasen der Gebirgsbildung gegeben haben musste. Seine Erklärung dafür war einfach: Als die Erde langsam abkühlte, zog sie sich zusammen, so dass sich die feste Kruste von Zeit zu Zeit verwarf und verzog wie die Schale eines Apfels. Im Unterschied zur Apfelanalogie glaubte Beaumont jedoch, dass diese Verrunzelungsbewegungen plötzlich aufgetreten und mit Flutwellen und anderen Katastrophen einhergegangen seien.
Doch wie war die ungleichmäßige Verteilung der Gebirge zu erklären? Wie schon Humboldt ging auch de Beaumont davon aus, dass die Gebirgszüge der Erde nicht willkürlich angeordnet waren, sondern dass ihrer Entstehung bestimmte zeitliche und räumliche Muster zugrunde lagen. Aus den Berichten und Karten der Forschungsreisenden und Feldforscher glaubte Beaumont zu erkennen, dass sich die Gebirgsbildungszonen der Erde in fünfzehn Halbkreisen um den Globus zogen. Aus Kreuzungen dieser Halbkreise ergab sich wiederum ein Netz aus zwölf Fünfecken, das sogenannte „Pentagonalnetz“.
Obwohl diese Hypothese kaum von Fakten untermauert werden konnte, setzte sie sich zunächst durch – nicht zuletzt dank der herausragenden Stellung Beaumonts in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Reste dieser Apfeltheorie blieben, wenn auch in veränderter Form, bis ins 20. Jahrhundert hinein erhalten.