Anthropogeographie

Von Selbstmordgedanken des Architekten…

...und Ruhmsucht eines Unbekannten

Artemis-Tempel von Ephesos © Lee Krystek

Die ersten Schwierigkeiten beim Bau des Tempels tauchten schon gleich zu Beginn auf. Da das Gebiet um Ephesos erdbebengefährdet war, mussten die Baumeister sich eine Stelle suchen, wo das größte Heiligtum von Ephesos verhältnismäßig sicher stand. Der Tempel der Göttin Artemis sollte schließlich „keine Erdbeben spüren und keine Erdrisse fürchten“, wie der römische Dichter Plinius schrieb. Die Architekten entschieden sich schließlich für ein mooriges Gebiet, da sie hofften, dass der weiche Untergrund die Erdstöße abfangen würde.

Die verschiedenen Probleme bei der Konstruktion belasteten den Baumeister Chersiphron sehr. Es war ihm schleierhaft, wie er es jemals schaffen sollte die tonnenschweren Steinbalken auf die 18 Meter hohen Säulen emporzuheben. Vermutlich waren es die ersten griechischen Marmorarchitrave, die auf den mächtigen Säulen liegen und die größten jemals erreichten Spannweiten überbrücken sollten.

Einer Legende nach hat Chersiphron aber eine Lösung gefunden. Er stapelte mit Sand gefüllte Körbe zwischen den Säulen bis über die Kapitelle. Indem der Balken mit Winden und Flaschenzügen emporgehoben, und gleichzeitig die unteren Körbe vorsichtig geleert wurden, gelangte der Architrav an den für ihn vorgesehenen Platz. Nur bei dem mittleren Steinbalken, der das stolze Gewicht von 24 Tonnen hatte, wollte es nicht gelingen. Daraufhin beschloss der Baumeister in seiner Verzweiflung sich das Leben zu nehmen. Doch in der darauffolgenden Nacht erschien ihm die Göttin Artemis – zu deren Ehren schließlich der Tempel gebaut wurde – im Traum. Sie hob den tonnenschweren Balken hoch, als wäre er leicht wie eine Feder. Ohne Probleme legte sie den Türsturz auf das Eingangsportals des großen Marmortempels. Am nächsten Morgen, als Chersiphron auf die Baustelle kam, traute er seinen Augen nicht – der wuchtige Steinbalken lag in der Tat an der richtigen Stelle…

Allerdings versäumte es die Göttin einzugreifen, als ihr eigener Tempel später Opfer der Ruhmsucht und des krankhaften Ehrgeizes eines unbedeutenden Ephesiers wurde. In der Nacht des 21. Juni 356 vor Christus brannte so der gesamte Tempel bis auf seine Grundmauern nieder. Auslöser der Katastrophe war der wahnwitzige Herostratos, der den teuflischen Plan hegte durch diese Aktion in die Geschichte einzugehen. Wie besessen und nur mit einer Kanne Öl ausgerüstet muss er bis auf den 20 Meter hohen Dachboden geklettert sein. Die Holzbalken des Dachstuhls brannten in Sekundenschnelle und der Stolz von Ephesos ging in Flammen auf…

Obwohl es danach den Ephesiern verboten war, den Namen Herostratos auch nur in den Mund zu nehmen, wurde sein Name ironischerweise weltweit zum geflügelten Wort. Noch heute wird Zerstörung aus Geltungssucht als „Herostraten-Tat“ bezeichnet.

In den verkohlten Überresten des Tempels fanden Ephesier die fast vollkommen unbeschädigte Statue der Artemis. Das Wunder war Grund genug das Heiligtum wieder neu aufzubauen – dieses Mal aber noch größer und prächtiger und vor allem aus steinernen Gebälk…

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Stand: 26.07.2001

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Sieben Weltwunder
Monumente für die Ewigkeit?

Auf alle Sieben kommen die wenigsten...
Welche Monumente gehören zu den Weltwundern?

Warum sind es gerade Sieben Weltwunder?
Die magische Zahl Sieben

Woher kommt die Weltwunderliste?
Es begann als Reiseführer des Altertums...

Was von ihnen übrig blieb...
Auf der Suche nach den verschwundenen Weltwundern

Die Cheops-Pyramide
Eines der größten von Menschen errichteten Bauwerke

Rätsel über Rätsel...
Grabstätte oder Kornkammer?

Der Orion-Mythos
Zufall oder Absicht?

Die Hängenden Gärten von Babylon
Paradies auf Erden

Ein Weltwunder als Geschenk
Bäume gegen Heimweh

Die Zeusstatue von Olympia
Kultbild des Göttervaters

Das Meisterwerk des Phidias
Entstehung eines Kultbildes

Der Artemis-Tempel von Ephesos
Wohnstätte der Götter auf Erden

Von Selbstmordgedanken des Architekten...
...und Ruhmsucht eines Unbekannten

Das Mausoleum von Halikarnassos
Weltwunder mit Stilmix

Ein König plant sein eigenes Grabmal
Wettbewerbe um den Totentempel

Koloss von Rhodos
Die Statue des Sonnengottes Helios

Der Gigant endete als Trümmerhaufen...
Die Freiheitsstatue der Antike

Der Leuchtturm von Alexandria
Der erste und größte Leuchtturm der Welt

Woher kam die Leuchtkraft?
Von Feuer und Spiegelungen...

Die "neuen" Weltwunder
Abstimmung im Internet

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