Sie tragen Namen wie Sonja, Tobias, Skater, Manager, Türkis oder gar Sokrates. Allein Mais- und Weizensorten sind in Deutschland so zahlreich, dass sich Saatguthersteller die seltsamsten Namen einfallen lassen, um ihre Produkte anzupreisen. Aber wozu gibt es eine solche Vielfalt und wie wird sie erreicht? Was unterscheidet Gentechnik von herkömmlicher Züchtung und warum ist sie so umstritten?
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Die Weizensorte mit dem Namen Sokrates gehört – laut Herstellerangaben – zur besten Qualitätsgruppe A. Sieist allerdings dennoch stark anfällig für den Mehltau, zudem sollte sie im November ausgesät werden, so die Empfehlung. Auch Informationen über die ideale Dünger-Zugabe, die Kornzahl pro Ähre oder die Wuchshöhe gibt das Saatgutunternehmen gerne preis. Denn nichts wird in der modernen Landwirtschaft dem Zufall überlassen. Doch warum diese Vielfalt, warum dieser Aufwand?
Jeder Boden ist anders und jede Region bietet den Pflanzen in den verschiedenen Jahreszeiten unterschiedliche Witterungsverhältnisse, Sonnenstunden, Temperaturen. Daher wählt ein Bauer die von ihm gepflanzten Sorten genau nach den spezifischen Anforderungen auf seinem Stück Land aus. Genau wie Bananen – bisher – nicht bei uns gedeihen, so wächst auch nicht jeder Weizen oder Mais auf beliebigem Boden.
Die Kartoffel – ein Star mit Migrationshintergrund
Und auch die Kartoffel ist ein wählerisches Gewächs. Denn obwohl sie heute aus der traditionellen deutschen Küche nicht mehr wegzudenken ist, ist die Knolle noch ziemlich neu bei uns. Vielmehr wollte das etwas launische Nachtschattengewächs zunächst in unseren Breiten ganz und gar nicht wachsen. Deshalb galt sie in Deutschland bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts nur als Zierpflanze.
Die heute zu Pommes, Püree, Kartoffelpuffer, Bratkartoffeln und ähnlichen Leckereien verarbeitete Knolle war erst Ende des 16. Jahrhunderts aus Südamerika nach Europa gekommen, wo sie ihren Siegeszug zunächst auf der iberischen Halbinsel und den Kanaren begann. Unter den hiesigen Bedingungen wuchsen die Knollen jedoch so mickrig und klein, dass kein Bauer davon satt geworden wäre. Das hiesige Klima und die Böden waren einfach zu verschieden von denen in den peruanischen Anden, wo die Pflanze in bis zu 4.000 Metern Höhe angebaut wird. Dort war sie bereits für die Inkas ein Grundnahrungsmittel – viele ihrer religiösen Feste stehen in Verbindung mit den Ernteterminen der Kartoffel.
Aber schon als die Europäer nach Südamerika kamen, war die Kartoffel – dort Papa genannt – längst nicht mehr in ihrer Urform vorzufinden. Die Andenvölker hatten sie bereits über Jahrhunderte hinweg kultiviert und so jene Arten gezüchtet, die als Nachtschattengewächse besonders von kurzen Tageslängen profitierten. Auch das karge Klima und der schwierige Boden konnten ihnen nichts anhaben. An die milden Bedingungen in Mitteleuropa und die langen Tage im Sommer waren die Papas nicht angepasst. Es mussten erst Sorten gezüchtet werden, die aufgrund ausreichender Knollengröße für den Anbau lohnend waren.
Kathrin Bernard
Stand: 12.04.2013