Klar scheint, dass die Wiege der Landwirtschaft im Mittleren Osten lag – irgendwo im Bereich des fruchtbaren Halbmonds. Dieser erstreckte sich vor und 12.000 Jahren vom Norden des heutigen Syriens über den Südosten der Türkei bis in den Norden des Irak. In diesem Gebiet haben Archäologen schon zahlreiche Relikte früher Bauern und ihrer Siedlungen entdeckt.
In Syrien oder Anatolien?
Wer aber die „Erfinder“ der gezielten Pflanzen- und Tierzucht waren, ist weitaus weniger klar. „Schon seit langem debattieren Forscher darüber, ob die Landwirtschaft ihren Ursprung in einem oder in mehreren Gebieten innerhalb des fruchtbaren Halbmonds hat“, erklären Simone Riehl von der Universität Tübingen und ihre Kollegen.
Die meisten bisherigen Funde stammen aus dem Nordwesten des fruchtbaren Halbmonds – Beispiele sind Abu Hureyra in Syrien, aber auch der Karacadağ in der Türkei, an dessen Hänge das Einkorn entstanden sein könnte. Deswegen gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass irgendwo in dieser Region auch die ersten Bauern begannen, Getreide zu domestizieren.
Entdeckungen in Chogha Golan
Doch dann machten Riehl und ihre Kollegen am anderen Ende des fruchtbaren Halbmonds eine spannende „>Entdeckung. Ausgrabungen in Chogha Golan, einer steinzeitlichen Siedlung am Fuße des Zagros-Gebirges im Iran, förderten ebenfalls Hinweise auf frühe Landwirtschaft zutage – und dies etwa zur gleichen Zeit wie sehr viel weiter westlich in den bisher bekannten Fundstellen.
In Chogha Golan stießen die Archäologen auf zahlreiche Relikte von Gebäuden, Steinwerkzeuge, Tonfiguren und auch viele Mörser und Mahlwerkzeuge aus der Zeit von vor 12.000 bis vor rund 9.800 Jahren. Außerdem fanden sie große Mengen von gut erhaltenen Pflanzenresten, darunter wilden Vorläufern einiger heutiger Getreidearten wie Gerste und Weizen. Zusammen mit den Mahlsteinen und Mörsern deutet dies darauf hin, dass die Bewohner des Orts gezielt Wildgetreide anbauten und verarbeiteten. „Die Mahlsteine und Mörser könnten dazu gedient haben, aus den Körnern dieser Gräser eine Art Bulgur oder Mehl zu machen, das dann gekocht oder geröstet wurde“, vermutet Riehl.
Spreu und Körner von Emmer
Doch das war noch nicht alles: Die systematische Analyse und Datierung der Pflanzenreste ermöglichte es den Forschern, nahezu lückenlos nachzuvollziehen, wie die steinzeitlichen Bewohner von Chogha Golan allmählich zu echten Bauern wurden. Demnach begannen sie vor knapp 12.000 Jahren zunächst, immer mehr wilde Gerste anzubauen, aber auch Linsen und wilden Weizen.
Vor rund 9.800 Jahren tauchen dann erstmals auch Spreu und Körner von Emmer auf. Er gehört zu den ältesten domestizierten Getreidearten – und ist ein klares Zeichen dafür, dass die Menschen in Chogha Golan zu diesem Zeitpunkt die ersten Nutzpflanzen gezüchtet hatten. Sie hinkten damit zwar ihren Zeitgenossen im Westen des fruchtbaren Halbmonds um rund 500 Jahre hinterher. Dennoch spreche dies gegen einen einzigen Ursprung der Landwirtschaft, konstatieren Riehl und ihre Kollegen.
Nach Ansicht der Forscher muss es mehrere, über den fruchtbaren Halbmond verteilte Gebiete gegeben haben, in denen die Menschen nahezu gleichzeitig damit begannen, Nahrungspflanzen anzubauen und zu züchten – möglicherweise angeregt durch den Wechsel zu einem kühleren Klima, wie es auch Hillman postuliert.
Nadja Podbregar
Stand: 05.02.2016