Physik

Von Wellen und Teilchen

Bohr, Compton und ein Dualismus

Während sich Einstein und Planck mit der merkwürdig gequantelten Natur von elektromagnetischer Strahlung herumschlagen, kämpfen Physiker auch in einem anderen Gebiet mit schwer erklärbaren Phänomenen.

Das Rätsel der Spektrallinien

Im Mittelpunkt des Rätsels stehen die um 1850 von Joseph von Fraunhofer entdeckten Spektrallinien und ihre Interpretation durch die Chemiker Robert Bunsen und Gustav Kirchhoff im Jahr 1860. Seither ist bekannt, dass der „Strichcode“ des Lichtspektrums elementspezifisch ist und irgendwie mit der Beschaffenheit der verschiedenen Atome zusammenhängen muss. So erzeugt beispielsweise Wasserstoff bei Energiezufuhr Spektrallinien nur bei bestimmten Wellenlängen. Je nach Energiezugabe bilden diese Linien Serien – die Balmer-Serie, die Lyman-Serie und die Paschen-Serie. Doch warum, bleibt unklar.

Balmer-Serie des Wasserstoffspektrums
Das Phänomen der Spektrallinien, hier die Balmer-Serie des Wasserstoffs, ist vor 1913 schwer erklärbar. © Jan Homann/ CC-by-sa 3.0

An diesem Punkt kommt ein weiterer Pionier des Quantenzeitalters ins Spiel: Niels Bohr. Der junge dänische Physiker arbeitet zu diesem Zeitpunkt im Labor von Ernest Rutherford, der als erster die Trennung von Atomkern und Elektronenhülle bewiesen hat. Doch Rutherfords Atommodell kann nicht erklären, warum die Atome bei Anregung immer nur Licht bestimmter Wellenlängen abgeben. Bohr hat sich jedoch mit dem von Planck und Einstein entdeckten Phänomen der gequantelten Strahlung beschäftigt. Er versucht daher, das Atommodell so weiterzuentwickeln, dass es dieses Phänomen erklären kann.

Niels Bohr und sein Atommodell
Das Atommodell von Niels Bohr erklärt die Spektrallinien durch die Sprünge von Elektronen zwischen verschiedenen energetisch bedingten Bahnen. © US Library of Congress; JabberWok/ MikeRun/ CC-by-sa 3.0

Bohr und die „gequantelten“ Elektronenbahnen

Und es funktioniert: 1913 veröffentlicht Niels Bohr sein bahnbrechendes Atommodell. „Bohrs entscheidende Erkenntnis war, dass Elektronen nur spezifische, stationäre Bahnen um den Kern einnehmen können“, erklärt der Physiker Oliver Passon von der Universität Wuppertal. „In gewisser Weise sind auch sie damit gequantelt.“ Wird dem Atom Energie zugeführt, springen die Elektronen vorübergehend auf eine nächsthöhere Bahn, geben diese Energie aber wenig später wieder als Licht ab.

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Entdeckung der Quantenwelt
Wie Heisenberg, Schrödinger und Co unsere Sicht der Welt revolutionierten

Die Vorgeschichte
Planck, Einstein und das Wirkungsquant

Von Wellen und Teilchen
Bohr, Compton und ein Dualismus

Das Jahr 1925
Heisenberg, Schrödinger und die Geburt der Quantentheorie(n)

Die Kopenhagener Deutung
Theorienstreit, Unschärfe und eine entscheidende Konferenz

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Der Clou dabei: Weil das Elektron seine Energie nur in bestimmten Paketen – den Quanten – abgeben kann, hat das freigesetzte Licht eine spezifische Wellenlänge, entsprechend der abgegebenen Energiemenge. „Bohrs Theorie war voller Widersprüche, aber es lieferte eine erste quantitative Beschreibung des Wasserstoff-Spektrums“, erklären Daniel Kleppner und Roman Jackiw vom MIT. Allerdings: Auch Bohr geht noch von Licht als einer reinen Welle aus. Die bloße Vorstellung, dass Licht auch aus Teilchen bestehen könnte, lehnt er ab. Damit ist er nicht allein.

Die Entdeckung des Photons

Das ändert sich nur wenig, als es einen weiteren bahnbrechenden Durchbruch gibt: die Entdeckung des Welle-Teilchen-Dualismus. 1922 schließt der US-Physiker Arthur Compton aus seinen Experimenten mit der Röntgenstreuung, dass Licht nicht nur eine Welle ist, sondern auch aus Teilchen bestehen muss – Photonen. „Damit haben wir nun zwei Theorien des Lichts – beide unverzichtbar, aber, wie man zugeben muss, ohne jede logische Verbindung zwischen ihnen, trotz 20 Jahren kolossaler Anstrengungen der theoretischen Physiker“, schreibt Einstein im Jahr 1924.

Ebenfalls 1924 veröffentlicht der französische Physiker Louis de Broglie in seiner Doktorarbeit eine weitere, ebenso bahnbrechende Erkenntnis: Aus Einsteins berühmter Formel E=mc2 leitet er ab, dass auch Materie einen Welle-Teilchen-Dualismus zeigen muss. Elektronen und andere Teilchen können demnach als eine Art stehender Wellen verstanden werden, die je nach Impuls des Teilchens eine spezifische Wellenlänge haben. Je höher die Energie, desto kürzer die Wellenlänge der Strahlung.

Interferenz im Elektronenstrahl
Der hier sichtbare Interferenz-Effekt in einer Elektronenbeugungsröhre belegt, dass auch Elektronen wie Wellen reagieren können. © Petra Klawikowski/ CC-by-sa 3.0

Welle und Teilchen zugleich!?

Diese Idee ist so revolutionär, dass sich die Dissertations-Gutachter an der Pariser Sorbonne zunächst nicht imstande sehen, de Broglies Doktorarbeit zu benoten. „Die Idee war faszinierend, aber keiner wusste, was die Wellennatur eines Teilchens konkret bedeutet und wie sie mit der Struktur der Atome zusammenpasste“, erklären Kleppner und Jackiw. Einer der Gutachter, der Physiker Paul Langevin, schickt daraufhin ein Exemplar von de Broglies Arbeit an Einstein mit der Bitte um seine Einschätzung. Dieser ist beeindruckt und de Broglie erhält seinen Doktortitel.

Doch bewiesen ist de Broglies revolutionäre Idee noch nicht – entsprechend groß ist bei vielen etablierten Physikern die Skepsis. Das ändert sich erst im Jahr 1927 und 1928, als britische und US-amerikanische Forscher unabhängig voneinander den Welle-Teilchen-Dualismus für Elektronen erstmals experimentell bestätigen: Sie zeigen, dass auch ein Elektronenstrahl ein Interferenzmuster hervorrufen kann – etwas, das nur bei Wellen vorkommen kann. Nachvollziehen lässt sich dies beispielsweise im bekannten Doppelspaltexperiment, das Physiker mittlerweile sogar schon mit Antimaterieteilchen umgesetzt haben.

Physikalisches Durcheinander

Aber was bedeutet dies für die Physik insgesamt? Die Entdeckung des Welle-Teilchen-Dualismus kann zwar einige zuvor rätselhafte Phänomen erklären, stellt aber auch viele etablierte Vorstellungen in Frage. „Im Moment ist die Physik wieder sehr verwirrend und in jedem Fall zu schwierig für mich. Ich wünschte, ich wäre ein Filmkomiker oder so etwas in der Art und hätte nie etwas von der Physik gehört“, zitiert die Wissenschaftshistorikern Cathryn Carson eine Bemerkung des österreichischen Physikers Wolfgang Pauli aus dem Frühjahr 1925.

Doch diese Situation sollte sich schon bald radikal verändern.

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