Bei der komfortablen Unterbringung im Wirtskörper ergeben sich für den Parasiten auch einige Schwierigkeiten. Der eigene Nachwuchs muss vorzugsweise in neuen Wirten untergebracht werden – erstens um den momentanen Wirt nicht zu überlasten, und zweitens um neue Lebensräume zu erschließen. Das erfordert aber, die sichere Umgebung des Wirtes zu verlassen und sich den Gefahren der Außenwelt auszusetzen. Die Partnersuche ist aus diesem Grund für einen eingesessenen Parasiten ebenfalls schwierig.
Um den Wechsel von einem Wirt zum nächsten zu vereinfachen, durchlaufen die Nachkommen des Parasiten verschiedene Entwicklungsstadien, die an jeweils andere Bedingungen und Aufgaben angepasst sind. Manche sind dabei auf einen oder mehrere Zwischenwirte angewiesen, bevor sie schließlich ausgewachsen sind und ihren den Endwirt erreichen.
Ungeschlechtliche Massenvermehrung erhöht Erfolgschance
Viele dieser Parasiten nutzen dabei zwei unabhängige Fortpflanzungsschritte, die in unterschiedlichen Wirten stattfinden. In einem Wirt vermehren sie sich ungeschlechtlich, meist durch Zellteilung. Dieser Schritt erhöht lediglich die Anzahl der Nachkommen, und damit die spätere Wahrscheinlichkeit, sich erfolgreich auszubreiten. In einem anderen Wirt, dem Endwirt, findet geschlechtliche Paarung und damit genetische Neukombination statt.
Ein Beispiel für einen Parasiten mit einem solchen Lebenszyklus aus mehreren Entwicklungsstadien ist der Pärchenegel Schistosoma, aus der Klasse der Saugwürmer. Weltweit sind fast eine Viertelmilliarde Menschen von diesem Wurm befallen, die meisten davon in Entwicklungsländern. Da in diesen Regionen die nötige medizinische Versorgung nur schlecht oder gar nicht vorhanden ist, ist die vom Pärchenegel ausgelöste Krankheit Schistosomiasis oft lebensbedrohlich.
Die Würmer leben in den Venen des Wirts und siedeln sich hauptsächlich in der Nähe von Darm und Harnblase an, können aber auch bis ins Gehirn vordringen. Sie selbst sind für den Menschen ungefährlich. Im Laufe ihres bis zu 20 Jahre dauernden Lebens legen sie jedoch fortwährend Eier. Um ausgeschieden zu werden, müssen diese Eier irgendwie von den Blutgefäßen in die Harnblase oder den Darm gelangen.
Entzündung durchlöchert Blutgefäße
Durch heftige Entzündungsreaktionen werden die Wände der Blutgefäße durchlässig für die Eier. Diese Entzündung löst als Krankheitssymptome hohes Fieber, Husten, blutigen Urin und Ödeme aus. Eine unbehandelte andauernde Infektion führt zu schweren Leberschäden und erhöht außerdem möglicherweise das Blasenkrebsrisiko.
Ausgeschieden mit Kot oder Urin gelangen die Eier des Pärchenegels ins Wasser. Dort schlüpft eine sogenannte Wimpernlarve und macht sich auf die Suche nach einer Wasserschnecke. Die Larve bohrt sich durch die Haut der Schnecke und bildet dort sogenannte Sporozysten. Diese vermehren sich durch ungeschlechtliche Teilung.
Treffpunkt Leber
Danach folgt das nächste Entwicklungsstadium, die Zerkarien. Dabei handelt es sich um Miniaturwürmer mit einem gegabelten Schwanz. Die Schnecke scheidet die Zerkarien wieder ins Wasser aus. Diese Wurmlarven bohren sich dann durch die Haut trinkender Weidetiere oder badender Menschen. Der Schwanz bleibt dabei zurück, die Larven werden nun als Metazerkarien bezeichnet. Über den Blutkreislauf breiten diese sich im Körper aus und werden zunächst in der Lunge zu sogenannten Schistosomula, zu Deutsch „kleine Schistosoma“. Diese wiederum wandern in die Leber, wo sie zu geschlechtsreifen Würmern heranwachsen. Weil sie ein ausgewähltes Organ gewissermaßen als Treffpunkt bevorzugen, ist die Partnersuche deutlich einfacher.
Ungewöhnliche Dauerpaarung
Die Paarung hält bei den Würmern das ganze Leben an, daher auch die deutsche Bezeichnung als Pärchenegel. Das lange und dünne Weibchen lebt in einer Bauchfalte des kürzeren und etwas dickeren Männchens. Teile des Weibchens ragen aus dieser Falte hervor, beide Würmer zusammen sehen daher im Mikroskop aus wie ein einzelner, stellenweise gespaltener Wurm. Dieses Aussehen ist der Ursprung des lateinischen Namens Schistosoma, was „geteilter Körper“ bedeutet.
Haben sie sich einmal gefunden, müssen die Würmer also nie wieder auf Partnersuche gehen – im Bereich der Würmer ist das ungewöhnlich. Hier aber löst es eines der Hauptprobleme der endoparasitischen Lebensweise, die schwierige Partnersuche.
Ansgar Kretschmer