Evolution

Vormenschen lebten gefährlich

Von Tieren, Pech und Todesstürzen

Wie unsere Urahnen Australopithecus oder Ardipithecus ausgesehen haben, wissen wir einigermaßen genau. Wo und wie sie gelebt haben ebenfalls. Und sogar, wie die Vormenschen starben, konnten Wissenschaftler mittlerweile ansatzweise klären – zumindest für einige der bekanntesten Funde.

Adler als Killer?

So lauerten in ihren afrikanischen Lebensräumen, darunter üppige Waldgebiete, Savannenlandschaften und Flusstäler, vor 1,8 bis 4,4 Millionen Jahren reichlich Gefahren. Dazu gehörten beispielsweise Raubtiere wie Säbelzahnkatzen, Bären und Hyänen, aber auch Elefanten oder Nashörner. Eine der größten Bedrohungen aber kam vermutlich aus der Luft, wie Wissenschaftler um Professor W. Scott McGraw von der Ohio State Universität im Jahr 2006 herausfanden. Ihnen gelang es, ein Szenario für die letzten Minuten im Leben des so genannten „Kind von Taung“ zu entwickeln.

Kind von Taung © José-Manuel Benito Álvarez / gemeinfrei

Die Überreste dieses Australopithecus africanus – der gut erhaltene Schädel eines drei Jahre alten Kindes – wurden im Jahr 1924 nahe des südafrikanischen Ortes Taung gefunden. Anthropologen datieren ihn auf ein Alter von 2,4 Millionen Jahren. Auffällig daran sind merkwürdige „Löcher“ und Kratzer, die zunächst auf den vermutlich tödlichen Angriff einer Raubkatze zurückgeführt wurden. Doch dies stimmt offenbar nicht, wie McGraw und seine Kollegen zeigen konnten.

Heutige Kronenadler bringen Forscher auf die Spur

„Dieses Fossil ist vermutlich der am besten studierte, untersuchte und publizierte Hominidenschädel überhaupt“, so McGraw. „Es ist nicht so, dass die Schäden am Schädel bisher übersehen worden wären, wir haben nur nicht die Verbindung gezogen, um sie zu erklären. Diese Spuren sind nicht von einer großen Raubkatze, sie stammen von einem vorzeitlichen Kronenadler.“

Dieser Theorie auf die Spur gekommen sind die Forscher bei Beobachtungen von heute lebenden afrikanischen Tieren dieser Gruppe im Regenwald der Elfenbeinküste. Danach sind die Raubvögel problemlos in der Lage, zwölf Kilogramm schwere Affen – so viel wog vermutlich auch das Kind von Taung – zu erbeuten. Und noch wichtiger: Sie fügen ihren Opfern dabei auch auffällige „Macken“ zu. „Adler hinterlassen sehr eindeutige Schnabel- und Krallenspuren rund um das Gesicht und die Augenhöhlen. Der Schädel des Kinds von Taung zeigt die gleiche Art von Punktionsspuren“, erklärt der Forscher.

„Ich kam mir vor wie ein Idiot“

Andere Wissenschaftler halten das neue Szenario für durchaus realistisch: „Ich fiel fast vom Hocker als ich dem Schädel in die Augen schaute und die Male sah, wie sie in McGraws Veröffentlichung beschrieben worden waren – sie sehen aus wie perfekte Beispiele von Beschädigungen durch einen Adler. Ich konnte meinen Augen kaum trauen, dass Tausende Wissenschaftler – mich eingeschlossen – die entscheidenden Beschädigungen übersehen hatten. [..] Ich kam mir ein bisschen wie ein Idiot vor, dass ich diese Male nicht schon vor zehn Jahren wahrgenommen hatte.“, kommentierte beispielsweise der südafrikanische Paläoanthropologe Lee Berger die Ergebnisse.

Noch mehr tragische Opfer

Doch Vogelattacken waren nicht das einzige Risiko, dem unsere Vorfahren ausgesetzt waren. So deutete beispielsweise die Lage der Ardi-Knochen im Afar-Dreieck daraufhin, dass das Vormenschen-Weibchen von anderen Tieren zu Tode getrampelt wurde. Und „Little Foot“, ein Australopithecus, dessen Überreste 1995 in einer Kalksteinhöhle in Sterkfontein, Südafrika, gefunden wurden, hatte vermutlich schlicht und einfach Pech. Er stürzte durch das Dach der Höhle, starb wo er war und wurde dort anschließend für die Nachwelt konserviert.

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Stand: 22.01.2010

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Inhalt des Dossiers

Vormenschen
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Forschung am Großen Afrikanischen Grabenbruch

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