Proteine sind aber nicht nur nützliche Helfer – sie haben auch eine dunkle Seite: Viele in der Natur vorkommende Giftstoffe sind Proteine. So zum Beispiel das Gift der gefürchteten Schwarzen Witwe. Mit ihrem Biss injiziert die Spinne ein Protein namens Latrotoxin. Dieses Gift greift wie die bereits genannten Wirkstoffe ebenfalls an den Nervenbahnen an. Es verhindert, dass der Botenstoff Acetylcholin ausgeschüttet werden kann, und lähmt so die Muskeln.
Botox: tödlicher Faltenglätter
Einer der tödlichsten Giftproduzenten ist das Bakterium Clostridium botulinum, der Verursacher des Botulismus. Dessen Giftstoff, gemeinhin als Botox bekannt, gehört zu den stärksten Nervengiften in der Natur: Eingeatmet kann bereits eine Dosis ab zehn Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich sein. In die Blutbahn injiziert reicht bereits ein Zehntel dieser Menge. Auch bei Botox handelt es sich um ein Protein. Es blockiert die Übertragung der Nervensignale zu den Muskeln – diese bewegen sich dadurch nicht mehr. Etwa zwölf bis 40 Stunden nach Aufnahme des Giftes kommt es dadurch zu Muskellähmungen am ganzen Körper. Wenn auch die Atemmuskeln betroffen sind, kann der Betroffene durch die Vergiftung ersticken.
Gifte sind jedoch oft Inspiration für Medikamente: Vorsichtig eingesetzt lässt sich das tödliche Botox auch medizinisch nutzen, etwa gegen Bewegungsstörungen oder überaktive Schweißdrüsen. In winzigen Mengen unter die Haut gespritzt, lähmt es nur einzelne Nervenzentren am Ort des Einstichs. Auf diese Weise kann das giftige Protein auch gegen chronische Migräne wirken. Am bekanntesten jedoch dürfte es für seine kosmetische Anwendung als Faltenglätter sein. Schwächer, aber eng verwandt mit Botox ist übrigens das Toxin des Tetanus-Erregers Clostridium tetani.
Schlangengift: schmerzhafter Proteincocktail
Schlangengifte bestehen ebenfalls zum großen Teil aus Proteinen. Die Kriechtiere verwenden allerdings gleich einen ganzen Cocktail verschiedenster Enzyme und Nervengifte, der sich je nach Art unterscheidet. Zu den Enzymen gehören auch verschiedene Phospholipasen: Sie produzieren beim Menschen normalerweise die Vorstufen von Botenstoffen, die Schmerz und Entzündung vermitteln. Wegen dieser Enzyme sind Schlangenbisse besonders schmerzhaft. Ein Enzym derselben Klasse ist auch im Bienengift enthalten. Zu Forschungszwecken benötigte Phospholipasen werden zum großen Teil aus Schlangengift gewonnen. Dazu werden die Giftdrüsen der Tiere regelrecht gemolken, um das Gift sammeln zu können.
Neben diesen schmerzhaften Inhaltsstoffen enthält typisches Schlangengift außerdem verschiedene Verdauungsenzyme, die Blutgefäße und Bindegewebe lockern und auflösen. Zusammen mit Bestandteilen, die die Blutgerinnung hemmen, kann dies zu inneren Blutungen führen. Bei einem unbehandelten Schlangenbiss mancher Arten kann sogar das Gewebe um die Bissstelle großflächig absterben. Angereichert wird der Giftcocktail der Reptilien oft noch mit verschiedenen Nervengiften, die die Gesamtwirkung noch verstärken. Diese schmerzhafte Mischung dient einem von zwei Zielen: entweder einen Feind das Interesse verlieren lassen, oder die Gegenwehr eines Beutetieres schnellstmöglich ersticken.
Auch die giftmischenden Reptilien haben ihren medizinischen Nutzen: Wegen der vielen Bestandteile ist Schlangengift sehr interessant für die pharmazeutische Forschung. Verschiedene Mittel gegen Bluthochdruck entstanden zum Beispiel mit Bestandteilen von Schlangengift als Vorlage.
Ansgar Kretschmer
Stand: 21.03.2014