Mehr als 60 Jahre lang herrschte Ruhe im Grimsvötn, dem Vulkan unter dem Eispanzer des Vatnajökull. Nur ab und zu produzierte das Vulkansystem leichte Erdstöße, so, als wolle es sich wieder in Erinnerung rufen. Doch im Herbst 1996 war die Ruhepause zu Ende – der Vulkan erwachte.
Am 29. September entdecken die Seismologen des Meteorologischen Instituts in Reykjavik die ersten Anzeichen für eine bevorstehende Veränderung: Statt der für die letzten 22 Jahre typischen kurzen Erdstöße ohne weitere Folgen, gehen nun von der Vulkanregion um Bardarbunga und Grimsvötn besonders starke, von Nachbeben gefolgte Beben aus. Als die seismischen Messgeräte in der Nähe der Vulkane immer mehr Beben registrieren, alarmieren die Seismologen die zuständigen Katastrophenschutzbehörden. Ihr Rat: sich auf einen möglicherweise bevorstehenden Ausbruch vorzubereiten.
Einen Tag später, am 30. September, mehren sich die Anzeichen für eine Eruption: Während der Nacht beginnt ein kontinuierliches hochfrequentes Zittern die anhaltenden Beben zu begleiten. Für die Seismologen Grund zur Sorge, denn dieser charakteristische Tremor war auch schon kurz vor anderen Ausbrüchen in der Region beobachtet worden. Sie empfehlen, vorsorglich schon mal die Öffentlichkeit zu informieren. Die Epizentren der Erdstöße verlagern sich währenddessen langsam entlang eines unterirdischen Magmenkanals vom Bardarbunga zum Grimsvötn-Vulkan.
Um 19.00 Uhr am Abend des gleichen Tages verbreitet das isländische Radio die Warnmeldung. Keine drei Stunden später zeigen die Seismographen im Meteorologischen Institut einen plötzlichen Abfall der Erdbebenaktivität am Grimsvötn, gefolgt von einem für Eruptionen typischen Zittern – der Grimsvötn ist ausgebrochen.
Noch ist allerdings von den dramatischen Ereignissen nicht viel zu sehen – der 450 Meter dicke Eispanzer des Gletschers überdeckt alles. Doch in der Tiefe brodelt es: Vulkanische Gase und das mehr als 1.000 Grad heiße Magma quellen aus ihrem unterirdischen Reservoir und beginnen, sich einen Weg durch die Eisdecke zu schmelzen.
Am Morgen des ersten Oktober sind vom Flugzeug aus bereits zwei immer tiefer werdende ein bis zwei Kilometer breite Senken in der Gletscheroberfläche zu erkennen. Im Untergrund bahnen sich die Schmelzwassermassen einen Weg unter dem Eis hindurch und strömen in den „untereisischen“ Grimsvötn-See. In den ersten 24 Stunden wächst seine Wassermenge um 5.000 Kubikmeter pro Sekunde an. Nur von einer Eisbarriere zurückgehalten, beginnt der Wasserspiegel des Sees langsam zu steigen….
Am Morgen des 2. Oktober hat sich die Eruption endlich ihren Weg durch das Eis gebahnt. Der dabei entstandene Krater stößt eine mehr als 4.000 Meter hohe Aschensäule in den Himmel. Im Laufe der nächsten 12 Tage bedeckt die Eruption die Hälfte des gesamten Gletschers mit einer dünnen Aschenschicht.
Am 13. Oktober zeigen die Aufzeichnungen der Seismologen, dass der Vulkan aufgehört hat, Lava zu speien. Der Ausbruch ist vorüber. Doch die eigentliche Katastrophe sollte erst noch kommen…
Stand: 13.04.2001