Künstliche Intelligenz und autonome Systeme sind im Trend: Lernfähige Algorithmen helfen bei der Sprach- und Gesichtserkennung, steuern Drohnen und selbstfahrende Autos und helfen Medizinern dabei, Krankheiten zu diagnostizieren. Selbst als Chemiker, Astronomiehelfer und im Wortgefecht mit einem Menschen schlagen sich die Maschinenhirne inzwischen wacker.
Fließender Übergang
Es ist daher kein Wunder, dass auch das Militär längst KI-Systeme für sich entdeckt hat. Schon jetzt sind viele Drohnen, Raketenabwehrsysteme oder Waffen mit Hightech-Steuerungen und halbautonomen Funktionen gespickt. Unbemannte Fluggeräte beispielsweise navigieren selbständig an ihren Einsatzort und fahnden dort mittels Bilderkennung nach dem einprogrammierten Ziel. Bevor eine solche Drohne allerdings Bomben abwirft oder Schüsse fallen, muss der Feuerbefehl von einem Menschen erteilt werden – noch.
In Zukunft jedoch könnte diese Entscheidung von einer künstlichen Intelligenz getroffen werden. Den Befehl zum Töten gibt dann nicht mehr ein Mensch, sondern eine Maschine. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wertet sie die Informationen ihrer Sensoren aus, gleicht sie mit Zielvorgaben ab und entscheidet danach, ob das Objekt vor ihr eine heranrasende Rakete, ein feindlicher Soldat, Panzer oder anderes legitimes, ihrer Programmierung entsprechendes Ziel ist.
Gut 380 Systeme gibt es schon
Was wie Science-Fiction klingt, ist in den Labors und Versuchsanlagen der Militärs bereits Realität. „Wir sehen, dass die Aufrüstung in jedem Schauplatz des Krieges stattfindet – in der Luft, im Wasser, unter Wasser und zu Land“, sagt KI-Experte Toby Walsh von der University von New South Wales. „In allen diesen Bereichen sind Prototypen von autonomen Waffen in der Entwicklung.“
Experten schätzen, dass weltweit schon gut 380 teilautonome oder vollautonome Waffensysteme existieren oder in Arbeit sind. Mindestens zwölf Staaten sind aktiv an der Entwicklung von Killerdrohnen oder Killerrobotern beteiligt, darunter China, Israel, Russland, Frankreich, Großbritannien und die USA. Viele dieser Systeme werden vorerst teilautonom betrieben, mit einem menschlichen Soldaten als letzter Instanz. Doch die Fähigkeit zum vollautonomen Betrieb ist bereits implementiert.
Vom U-Bootjäger bis zum KI-Maschinengewehr
Ein Beispiel ist das Anfang 2018 vorgestellte autonome Schiff „Sea Hunter“ der US-Navy. Dieser unbemannte U-Bootjäger kann monatelange Fahrten durchführen und dank integrierter Waffensysteme selbständig andere U-Boote und Schiffe versenken. „Dies markiert einen wichtigen Meilenstein und bringt uns näher an eine zukünftige Flotte, in der bemannte Kriegsschiffe und große unbemannte Wasserfahrzeuge sich bei ihren Missionen ergänzen“, sagt Alexander Walkan von der Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA).
Israel setzt mit „Iron Dome“ seit 2011 ein autonomes Raketenabwehrsystem ein. Die mobilen Einheiten tasten mittels Radar den Himmel nach feindlichen Geschossen und Raketen ab, folgen deren Flugbahn und schießen sie vollautomatisch mit Abwehrraketen ab. Schätzungen zufolge wurden mit diesem System bereits tausende Raketen aus dem Gazastreifen und aus Syrien abgefangen. Die israelische „Harop“-Drohne trägt einen Sprengkopf und kreist solange in der Luft, bis sie ihr Ziel ausgemacht hat – dann wird sie zum „Kamikaze“-Flugobjekt. Je nach Modus kann sie selbstständig anhand der Strahlung feindliche Radaranlagen orten und zerstören oder ein zuvor einprogrammiertes Ziel identifizieren und vernichten.
In Russland hat die Armee schon mehrere unbemannte Panzer und autonome Waffen entwickelt. So verfügt der teilautonome Panzer T-14 über ein sogenanntes aktives Abwehrsystem, das potenzielle Gefahren durch heranrasende Geschosse detektiert und diese Objekte selbständig abschießt. Der Waffenhersteller Kalaschnikow stellte 2017 ein automatisches Gewehr vor, bei dem eine künstliche Intelligenz die Ziele identifiziert, anvisiert und den Schießbefehl erteilt. Damit liegt das Unternehmen ganz auf der Linie des russischen Präsidenten Putin: „Wer in der künstlichen Intelligenz führend ist, der wird die Welt regieren“, konstatierte dieser.
Nadja Podbregar
Stand: 16.11.2018