Auch ein Held braucht Hilfe. Doch das fällt meistens erst dann auf, wenn diese Hilfe ausnahmsweise mal nicht zur Stelle ist. So einst geschehen in den Wassern des antarktischen Südpolarmeeres. Als die Walfänger dort im 20. Jahrhundert besonders verheerend wüteten, trieben sie nicht nur die Wale an den Rand des Aussterbens, sondern gefährdeten auch das gesamte Ökosystem – allerdings nicht so wie erwartet.
Das Krill-Paradox
Logisch gedacht: Wenn es weniger Wale gibt, die Krill fressen, müsste das eigentlich dazu führen, dass die Population dieser kleinen Plankton-Krebschen explodiert. Doch das tat sie nicht. Im Gegenteil: Sie brach drastisch ein, um über 80 Prozent. Was war passiert? Lange rätselten Wissenschaftler über dieses sogenannte Krill-Paradox.
Heute weiß man, dass die Nahrungsketten in den Meeren der Antarktis keineswegs nur linear á la „Wal frisst Krill und Krill frisst Kieselalge“ aufgebaut waren. Vielmehr lassen sie sich als Kreislauf beschreiben, bei dem Wale einen direkten Einfluss auch auf das unterste Mitglied der Nahrungskette, das Phytoplankton, haben.
Die im Südpolarmeer einst reichlich vorhandenen Meeressäuger düngten das pflanzliche Plankton mit ihrem eisenreichen Kot, der entscheidend für das Wachstum von Kieselalge und Co ist. „Ein Viertel des von den Walen freigesetzten Eisens könnte vom Phytoplankton aufgenommen worden sein“, schätzen Forschende um Matthew Savoca von der Stanford University. Die Kieselalgen konnten dank dem düngenden Wal gedeihen und vom Krill abgeweidet werden, der wiederum im Magen der Wale landete und dort wieder zu eisenreichem Kot recycelt wurde.
Hoffnung für die Antarktis
Doch dieser einst so perfekt eingespielte Eisen-Kreislauf ist durch den kommerziellen Walfang aus dem Gleichgewicht geraten. Fehlen die Wale, herrscht im Südpolarmeer Düngermangel. Einst setzten die Wale des Südpolarmeeres noch 12.000 Tonnen Eisen pro Jahr frei. Heute sind es gerade einmal 1.200 Tonnen, wie das Forschungsteam um Savoca berichtet. Dieser Eisen-Einbruch um 90 Prozent hatte zur Folge, dass weniger Phytoplankton wuchs und die Krill-Bestände wiederum weniger zu fressen hatten, wodurch ihre Zahl schließlich zurückging.
Doch der Eisen-Kreislauf muss nicht auf ewig verloren sein, schätzen Savoca und seine Kollegen: „Die Erholung von Walpopulationen kann die im 20. Jahrhundert verloren gegangenen Ökosystemfunktionen wiederherstellen und zu einer höheren Produktivität der Ozeane führen.“ Bis es soweit ist, kann es zwar noch lange dauern, aber vielleicht arbeiten Superheld Plankton und sein Wal-Gehilfe dann wirklich eines Tages wieder so zusammen wie einst.