Tierwanderungen gehören zu den größten Spektakeln der Natur. Ob über eine Million Gnus, die auf der Suche nach Futter von Kenia nach Tansania ziehen oder ein riesiger Schwarm orange-schwarzer Monarchfalter, der 3.000 Kilometer Strecke auf sich nimmt, um zu seinem Winterquartier zu gelangen. Wahrscheinlich sind solche Wanderungen kein Phänomen der Neuzeit, sondern schon seit Millionen von Jahren Usus. Doch diese Vermutung wird erst dann zur Tatsache, wenn passende Fossilien handfeste Beweise dafür liefern. Und das tun sie!
Prähistorische Polonaise
Einer der ersten Hinweise auf kollektives Wanderverhalten entstand vor 480 Millionen Jahren im heutigen Marokko und dokumentiert einige stachelige Trilobiten, die einst in einer Art Polonaise-Formation ihr Ende fanden. Die versteinerten Tiere der Spezies Ampyx priscus bilden Schlangen aus drei bis 22 Individuen und berühren ihren Vordermann jeweils mit einem ihrer Kopfstacheln. Warum die Tiere als Polonaise über den Meeresboden zogen, ist nicht abschließend geklärt, kann aber verschiedenen Zwecken gedient haben.
„Ampyx könnte ähnlich wie heute die Pfeilschwanzkrebse während der Paarungszeit gruppenweise zu fernen Laichplätzen gewandert sein“, erklären Jean Vannier von der Universität von Lyon und seine Kollegen. Ebenso ist es möglich, dass sich die Trilobiten mithilfe dieser Formation vor Wasserturbulenzen durch einen starken Sturm oder vor Raubtieren schützen wollten.
Absturz über der Nordsee
Doch nicht nur unter, sondern auch über Wasser fanden schon lange vor unserer Zeit große Wanderungen statt, wie eine zehn Millionen Jahre alte Fossilienfundstätte in Dänemark demonstriert. Dort haben Wissenschaftler insgesamt 1.700 versteinerte Motten verschiedener Arten in marinen Sedimenten entdeckt. „Angesichts der Tatsache, dass sie in einem küstennahen Gebiet der alten Nordsee abgelagert wurden, deutet die große Zahl der Individuen darauf hin, dass sie Massenwanderungen unternommen haben“, erklärt Jes Rust von der Universität Göttingen.
Dass die prähistorischen Schmetterlinge ihre Wanderung nicht beenden konnten und stattdessen im Meerwasser landeten, lag vermutlich an einer Kombination aus Windstille und hohen Temperaturen an Land. Bei diesen Bedingungen erleiden auch heute noch migrierende Falter über der Nordsee dasselbe Schicksal.
Die Korkenzieher des Teufels
Neben Wanderungen sagen auch die Behausungen von Tieren einiges über ihr Verhalten und ihre Lebensweise aus. Eindrucksvolle Beispiele für prähistorische Unterkünfte sind etwa die sogenannten „Korkenzieher des Teufels“. Darunter versteht man spiralförmige, fossile Sandsteinstrukturen aus Nebraska und Wyoming, auf die sich lange Zeit kein Wissenschaftler einen Reim machen konnte.
Doch der Fund von vollständigen Nagetierskeletten innerhalb der Spiralen lieferte schließlich den entscheidenden Hinweis dafür, dass es sich um einst bewohnte Höhlen handelte. In ihnen hausten vor 20 bis 23 Millionen Jahren landlebende, murmeltierähnliche Biber der Art Palaeocastor. Die Tiere wurden damals vermutlich von Sand und Schlick überrascht, die in Folge einer Überschwemmung die Bauten fluteten. Der dabei gebildete Schlamm konservierte die gewundenen Grabröhren samt ihrer Bewohner.
Doch warum legten die Urzeit-Biber ihre Höhlen überhaupt spiralförmig an? Diese Bauweise brachte ihnen wahrscheinlich zwei entscheidende Vorteile: den Schutz vor Raubtieren und angenehm kühle Temperaturen unter Tage. Beides ideale Voraussetzungen, um Junge aufzuziehen.