Früher war der Todeszeitpunkt relativ einfach zu bestimmen. Herz- und Atemstillstand setzten dem Leben ein Ende, der so genannte klinische Tod lag vor. Auch heute noch wird der klinische Tod festgestellt, allerdings gibt es inzwischen die Möglichkeit zur Reanimation. Künstliche Beatmung und die Herz-Lungen-Massage können einen klinisch Toten noch mal ins Leben zurückholen. Geschieht dies innerhalb weniger Minuten nach dem Herzstillstand, ist die Reanimation erfolgreich.
Da schon acht bis zehn Minuten nach Herzstillstand die Hirnzellen absterben, kann das Gehirn nach dieser Frist nicht mehr wiederbelebt werden, nur der Kreislauf lässt sich mit Hilfe der Medizintechnik aufrecht erhalten. Ist der Mensch in diesem Zustand tot oder lebt er noch? Schließlich schlägt sein Herz noch, der Organismus funktioniert weiterhin – abgesehen von seinem Gehirn. Man fragte sich daraufhin, ob nicht doch eher das Gehirn über Leben und Tod entscheidet.
In den Mittelpunkt des Interesses rückte nun die Hirnfunktion und die Hirnstrommessung (EEG). Der Hirntod als Todeszeitpunkt wurde Ende der 60er Jahre eingeführt. Man geht dabei vom Ausfall des gesamten Gehirns aus: Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm. In Großbritannien reicht für die Feststellung des Hirntodes sogar schon der Ausfall des Hirnstammes. Allerdings sind sich die Ärzte nicht sicher, ob der Patient dann schon sein Bewusstsein verloren hat, da dies in höheren Hirnbereichen angesiedelt ist und theoretisch noch funktionieren könnte. Allerdings sind dies Spekulationen und der Ausfall des Hirnstammes gilt allgemein als „point of no return“.
Die Diagnose verläuft nach einem vorgegebenen Schema und wird von zwei unabhängigen Ärzten durchgeführt. Sie prüfen, ob die Reflexe des Hirnstammes noch funktionieren: unter anderem die Fähigkeit, eigenständig zu atmen, Zusammenziehen der Pupillen bei Lichteinfall und der Lidschlagreflex, wenn die Hornhaut berührt wird. Fehlen alle Reflexe und wird das Gehirn nicht mehr durchblutet, ist der Hirntod eingetreten.
Die Hirntoddefinition wird noch immer kritisiert. Viele Skeptiker sehen darin einen Schachzug der Transplantationsmediziner, um so an möglichst frische Organe zu kommen. Die Vorverlegung des Todeszeitpunktes ermöglicht eine Organentnahme an einem als tot definierten Menschen, dessen Atmung und Kreislauf noch erhalten werden. Kritiker plädieren für eine ganzheitliche Sichtweise, die nicht nur einzelne Organe wie das Herz oder das Gehirn betrachtet, sondern den Funktionsausfall des Gesamtorganismus.
Es wurde auch schon in Erwägung gezogen, die Hirntoddefinition auf Personen auszudehnen, bei denen nur das Großhirn unwiderruflich ausgefallen ist, also ein so genannter „kognitiver Tod“ eingetreten ist. Nach Ansicht der Mediziner steuert das Großhirn die „höheren“ Funktionen – wobei man allerdings noch gar nicht so genau weiß, welche Funktionen das im einzelnen sind. Wachkomapatienten wären demnach auch als Tote zu bezeichnen und zu „entsorgen“. Diese Neudefinition käme offensichtlich vor allem den Interessen der Transplantationsmedizin zu gute.
Stand: 23.09.2005