Naturereignisse/Naturkatastrophen

Warn-Netzwerk organisiert sich selbst

Prototyp eines selbstorganisierenden Frühwarn-Systems im Einsatz

Nach dem schweren Erdbeben von Mexiko im Jahr 1985 begannen Wissenschaftler und Ingenieure Frühwarnsysteme zu konzipieren. Basis dieser Systeme ist das unterschiedliche Verhalten der Bebenwellen: Aus der schnellen Erfassung der vorauslaufenden seismischen P-Wellen lassen sich Sekunden gewinnen, die die seismologen zur Warnung vor den langsameren, aber weitaus zerstörenderen S-Wellen nutzen können. In Japan werden solche Warnsysteme schon erfolgreich eingesetzt, in Taiwan, Kalifornien, Rumänien und der Türkei sind sie in Erprobung.

Geplante SOSEWIN- und existierende IERREWS-Sensoren des Frühwarnsystems in Istanbul. Die IERREWS-Stationen (grüne und rote Zylinder) sind entlang der Küste nahe der Nordanatolischen Verwerfung installiert. Die SOSEWIN-Knoten sollen innerhalb der Stadt in Behörden (gelb) und Privathaushalten (hellblau) betrieben werden und dezentral eine seismische Frühwarnung ermöglichen. © GFZ-Potsdam

Für den Raum Istanbul wird, neben einem seismologischen Beobachtungsnetz um das Marmara-Meer, auch ein Beobachtungsnetz innerhalb des Stadtgebiets aufgebaut. Das IERREWS-Netz (Istanbul Earthquake Rapid Response and Early Warning System) umfasst bisher zehn Strong Motion-Stationen, die nahe am nördlichen Ast der Nordanatolischen Verwerfung (NAFZ) installiert sind. Melden drei benachbarte Stationen eine Erschütterung, entscheidet die Zentrale am Kandilli-Observatorium, ob eine Alarmsituation vorliegt.

Neues Netzwerk ist drahtlos und selbstorganisierend

Seit Sommer 2008 wird dieses System mit einem am GFZ entwickelten dezentralen, sich selbst organisierenden Frühwarnsystem erweitert, das in Zusammenarbeit mit der Humboldt Universität zu Berlin entstand. SOSEWIN (Self-Organizing Seismic Early Warning Information Network) stellt den Prototyp eines drahtlos über WLAN kommunizierenden Sensornetzwerks dar, das auch dynamische Dienste auf TCP/IP-Basis unterstützt und eine echtzeitfähige Übertragung großer Mengen vorverarbeiteter Daten gewährleistet.

Knoten kommuniziert selbst mit seinen Nachbarn

Ein SOSEWIN-Knoten besteht aus einer Sensoreinheit und einem Mini-PC. Die Sensoreinheit beinhaltet einen Beschleunigungsaufnehmer, eine GPS-Einheit sowie einen Signalprozessor für die Datenaufbereitung. Wird an einem Knoten ein vorgegebener Grenzwert der Bodenbeschleunigung

überschritten, so kommuniziert er mit den Nachbarknoten des Netzwerks. Zeigen diese im selben Zeitfenster eine vergleichbare Beobachtung, wird dezentral eine Frühwarnung ausgelöst. Das Netzwerk lässt sich unproblematisch durch hinzufügen neuer Knoten erweitern und ausgefallene Knoten können von bis zu 200 Meter entfernten Knoten kompensiert werden.

Derzeit wird ein stationäres Netz aus 20 SOSEWIN-Knoten im Stadtbezirk von Ataköy betrieben, um Funktionalität und Zuverlässigkeit der Systeme zu testen. Darüber hinaus ist SOSEWIN so ausgelegt, dass es neben der seismischen Überwachung weitere Umweltparameter erfassen kann, wie zum Beispiel meteorologische Messgrößen, oder die Verkehrsdichte. Das Netzwerk hat seine Zuverlässigkeit sowohl in Istanbul als auch im mobilen Einsatz im Rahmen einer Mission der GFZ-Task Force für Erdbeben bereits gezeigt.

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Birger-Gottfried Lühr, Claus Milkereit, Stefano Parolai, Matteo Picozzi, Heiko Woith, Angelo Strollo, Mustafa Erdik, Atilla Ansal, Jochen Zschau / GFZ-Potsdam
Stand: 03.06.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Sekunden für Istanbul
Erdbeben-Gefahr und Anfälligkeit der Infrastruktur in der Millionenmetropole am Bosporus

Nächster Halt Istanbul?
Bebenwanderung entlang der Nordanatolischen Verwerfung

Wie stabil sind die Gebäude?
Satellitendaten helfen bei Erfassung der Gebäudestabilität

Westen der Stadt besonders gefährdet
Sedimente verstärken Bebenamplituden

Warn-Netzwerk organisiert sich selbst
Prototyp eines selbstorganisierenden Frühwarn-Systems im Einsatz

Modell für die Zukunft
Dichtes Sensorennetz in Einzelhaushalten und kritischen Infrastrukturen

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